Gutes bewahren in agilen Transformationen

Titelbild Podcast Business Akupunktur

Christoph verdeutlicht die Kernidee des Keep Management

Es ist fatal, wenn wir eine Änderung reinbringen und erfolgreiche Aspekte nicht mitnehmen würden.

Christophs reflektierte Perspektive auf Veränderungsprozesse

Wir Menschen tendieren dazu, schnell mal eher auf die Defizitseite zu gucken, sehr oft.

Christophs Vision und Motivation für agile Arbeitsweisen

Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit besseren und nachhaltigeren Arbeitsmethoden in den Unternehmen Europas wieder auf den Wachstumspfad bringen und zu einem führenden internationalen Akteur in der Weltwirtschaft machen können.

Christoph und die Komplexität von Transformationsprozessen

Wir haben ganz oft Dinge, die laufen gut, aber das heißt noch nicht, dass die systematisch im ganzen Unternehmen gut laufen.

Christoph über Hoffnung und Wertschätzung für bestehende Unternehmensstrukturen

Ich habe noch kein Unternehmen getroffen, wo man wirklich sagen kann, da hat nichts gut funktioniert, wir müssen echt alles ändern.

Zusammenfassung

​In dieser Episode spreche ich mit Christoph Schmiedinger über „Keep Management“ in agilen Transformationen und beleuchten das Thema “Bewahren” in Veränderungsprozessen. Christoph teilt als erfahrener Executive Consultant seine Erkenntnisse aus zahlreichen Transformationsprojekten genau mit dem Blick darauf nicht nur Veränderungen voranzutreiben, sondern auch Bestehendes wertzuschätzen. Er betont: „Wir Menschen tendieren dazu, schnell mal eher auf die Defizitseite zu gucken, sehr oft.“ Aus seiner und meiner Sicht ist es gerade in Zeiten des Wandels jedoch entscheidend, das Gute nicht aus den Augen zu verlieren.

Du wirst erfahren, wie Christoph in Transformationsprojekten vorgeht, um das Beste aus beiden Welten zu vereinen – Verändern und Bewahren. Ein besonders interessanter Aspekt ist sein Ansatz, bestehende Stärken bewusst zu identifizieren und das auch seinen Auftraggebern deutlich zu machen. Er sagt: „Wir haben ganz oft Dinge, die laufen gut, aber das heißt noch nicht, dass die systematisch im ganzen Unternehmen gut laufen.“

Transkript der Episode

Dierk

Herzlich willkommen zur 39. Episode des Business Akupunktur Podcast mit dem Titel „Gutes bewahren in agilen Transformationen“. Ich freue mich auf dieses Thema und meinen Gast Christoph Schmiedinger. Christoph und ich kennen uns seit über zehn Jahren. Wir haben uns in einem größeren Transformationsprojekt kennengelernt.

Christoph war auch schon vor einigen Jahren zu Gast in meinem DevOps-Podcast zum Thema Agilität skalieren mit dem Spotify-Modell. Ich schätze an Christoph seine tiefgehende Fachkenntnis, seinen professionellen Anspruch und seine Offenheit zur Diskussion. Deswegen habe ich mich gefreut, als er meine Anfrage zur Mitwirkung zum Thema Keep Management angenommen hat. Das ist nun schon die vierte Episode zum Thema Keep Management und mit Christoph werde ich sein Wissen um Agilität und Lean-Management konkret in den Kontext von Keep-Management setzen. Er wird vor allem aus der praktischen Erfahrung in seinen Transformationsprojekten berichten.

Wo wurde Keep Management betrieben, auch wenn es nicht so genannt wurde? Wo hätte es dem Projekt bessere Ergebnisse gebracht, wenn man mehr darauf geachtet hätte? Und ich erinnere dabei immer wieder gerne an das Zitat von Jörn Ehrlich aus der Episode 37 zu den systemischen Gesetzmäßigkeiten. Die systemischen Gesetzmäßigkeiten werden meistens dann erst wahrgenommen, wenn sie nicht beachtet werden.

Ja, Christoph ist Executive Consultant bei Boris Gloger Consulting, einem der Urgesteine in der agilen Welt. Laut seinem LinkedIn-Profil unterstützt er Unternehmen bei der schnelleren und effizienteren Entwicklung ihrer Produkte. Er hat einen Fokus auf physische Produkte. Physisch ist in Klammern, aber kann er vielleicht selber noch ein bisschen was dazu sagen, auf Produktentwicklung in den Bereichen Automobil, Medizintechnik und Industrie.

Auf seiner persönlichen Webseite formuliert er seine Vision so. „Ich bin fest davon überzeugt, dass wir mit besseren und nachhaltigeren Arbeitsmethoden in den Unternehmen Europas wieder auf den Wachstumspfad bringen und zu einem führenden internationalen Akteur in der Weltwirtschaft machen können“. Hallo Christoph, herzlich willkommen und vielen Dank für deine Zeit. Habe ich bei deiner Vorstellung etwas vergessen?

Christoph

Hi, hallo Dierk. Vielen Dank schon mal für die Einladung. Ich freue mich riesig, wieder bei dir Gast zu sein. Richtig, wir hatten bereits vor vielen Jahren das Vergnügen, über das Spotify-Modell zu sprechen. Ja und interessanterweise hat sich tatsächlich einiges geändert. Ich war damals viel in den Banken dieser Welt unterwegs.

Dort, wo auch immer stark das Spotify-Modell genutzt wurde und habe, ich würde mal sagen, meinen Weg wieder Richtung dem, wo ich eigentlich herkomme, zurückgefunden. Ich habe mal Elektronik studiert, war früher bei meinem alten Arbeitgeber für ein Produkt verantwortlich, das einen Teil natürlich Software hatte, aber auch ein Teil Hardware. Ja, und da bin ich weiter viel unterwegs in diesen gemischten Feldern. Also alles, was man angreifen kann, da bin ich definitiv die richtige Person für.

Dierk

Super cool. Christoph, meinen Gästen stelle ich zum Einchecken immer die Frage, was hast du gedacht, als du zum ersten Mal den Titel Business Akupunktur dieses Podcast gehört hast?

Christoph

Ja, guter Punkt. Akupunktur, ich habe mir gedacht, es geht so um so kleine wohltuende Behandlungen in Form von kurzen Podcastfolgen, die aber auch mal ein bisschen pieksen dürfen und zum Nachdenken anregen. Und ich denke, das will ich auch, oder dieses Motto will ich auch, was ich da reininterpretiert habe, auch als Aufhänger nutzen, um genau das auch in der heutigen Folge zu schaffen.

Dierk

Ja, du hast ja gesagt, wohltuend, aber auch mal pieken. Ich glaube, was ich noch ein bisschen mit dazu packe oder was ich damit noch verstehe, ist Nadeln irgendwo reinstechen. Das kann ja jeder. Aber wenn man es nicht kann, dann tut es weh. Und wenn man es kann, dann tut es, glaube ich, nicht so weh. Ich selber war noch nicht in der Lage, Akupunktur genießen zu dürfen. Aber ich glaube auch, das möchte ich jedenfalls auch mit dem Podcast erreichen, dass wir einfach Experten haben, dass wir Menschen haben, die wissen, worüber sie reden. Und das würde ich hoffen, dass ein Akupunkteur das auch kann.

Christoph

Definitiv, das ist ein spannender Aspekt, danke dir.

Dierk

Super. Also, Keep Management. Ich habe dieses Thema, habe ich ja eben schon mal gesagt, seit vier Folgen jetzt mit dabei, mit unterschiedlichen Gästen, mit unterschiedlichen Blickrichtungen da drauf. Ich bin überrascht und auch erfreut, wie viel da schon zurückgekommen ist. Und heute haben wir mit dir ja das Thema Transformation, agile Transformation, Agilität, Lean Management. Lass uns mal erst mal anfangen, auch weit anknüpfend an das, was du gerade gesagt hast.

Du hast ja bisher einige Transformationsprojekte begleitet. Kannst du mal ein paar Beispiele nennen von Branchen, von Firmen, wo du wirklich IT-Einblicke in Agilität und Green Management bekommen hast in der praktischen Anwendung?

Christoph

Ja, definitiv, kann ich sehr gerne machen. Der eine Aspekt ist, ich war früher tatsächlich viel in großen Banken unterwegs, das war so die Zeit der Neobanken, wo die ganzen Fintechs immer innovativere Produkte auf den Markt gebracht haben, N26 und Revolution, wie sie nicht alle heißen und wo dann natürlich die Banken die ersten großen Transformationsprojekte ausgerufen haben, wo es darum ging, ja, das eigene Online-Banking, die eigene Website natürlich auf einen adäquaten Stand der Technik zu bringen. Und dort war immer ganz viel natürlich auch Agilität, im Sinne von, wir müssen auch mal weglassen, was der User nicht braucht, weil einfach die Arbeit sonst zu umfangreich gewesen wäre. Da war ich unter anderem bei der ING zum Beispiel tätig, aber auch bei der Commerzbank. Alles beide sehr radikale Wandel, wo es wirklich darum ging, Agilität und die Prinzipien dahinter von Agile und Lean dann auch wirklich großflächig anzuwenden. Natürlich einerseits in der Produktentwicklung, wenn es darum ging, die Websites, Kreditstrecken, aber auch Online-Apps, was auch immer schneller zu entwickeln. Aber dieses Gedankenexperiment, was dahintersteckt, aber auch in andere Bereiche mit reinzugeben, zum Beispiel auch in dem Call Center. Das waren so meine großen ersten Berührungspunkte und wie gesagt, seit einigen Jahren bin ich stark auch in der physischen Produktentwicklung unterwegs.

Ein Beispiel, was ich damit reinbringen kann, ist, wir haben mit Webasto zusammengearbeitet, um ihre Produktentwicklung auch mit agilen und Lean-Prinzipien effizienter zu gestalten, kürzere Time-to-Markets zu ermöglichen. Dort waren wir zum Beispiel stark unterwegs für Batterien, für Elektroautos, aber auch Heizgeräte, haben dann mit dem Kunden gemeinsam ein, ich will mal sagen, ein neues Operating-Model, ein neues Arbeitsmodell für die Produktentwicklung im Kern entwickelt, das natürlich stark auf diesen Prinzipien von Lean und Agilität aufbaut und das dann letztendlich zur Anwendung gebracht.

Dierk

Sehr schön. Du hast ja eben schon gesagt, Dinge auch mal weglassen. Wir reden ja hier über Bewahren, wir reden über Keep-Management, Bewahren auch in agilen Transformationen. Was verstehst du denn unter Keep-Management und wie würdest du Keep-Management in den Kontext von Agilen und Lean Prinzipien einordnen?

Christoph

Ja, guter Punkt. Wie du mich da angesprochen hast auf das Keep-Management, muss ich auch zuerst mal gucken, was steckt hinter dem Prinzip. Aber ich konnte mich dann schnell oder ich konnte es schnell einordnen auch in den Kontext von agilen und Lean Prinzipien, weil da komme ich gleich drauf, die haben auch einen starken Fokus auf Keep-Management. Also im Kern geht es ja darum, auch gut funktionierende Dinge zu bewahren. Ich denke, das ist super wichtig, weil sehr oft die Gefahr besteht, dass wir nach dem Motto sagen, ach, das funktioniert ja eh und dann quasi gar nicht mehr darüber nachdenken und irgendwann verschwindet es. Und im agilen und Lean-Kontext ist das sehr stark integriert, weil es dort auch eines der Kernprinzipien ist. Also wer das Konzept der Retrospektive kennt, wo man in der Agilität so auf die Vergangenheit zurückblickt, Da wird nämlich nicht nur drauf geguckt, was hat nicht funktioniert, sondern immer auch als erstes die Frage gestellt, was funktioniert gut und was wollen wir unbedingt beibehalten, um diesem nochmal Gewicht zu geben. Zu sagen, ja das ist uns wichtig und es sollte auch Energie reinfließen, um genau das weiterhin zu erhalten und das nicht als für selbstverständlich annehmen, dass wir es einfach in Zukunft so weitermachen werden.

Dierk

Ja, finde ich interessant, gerade wo du Retro ansprichst. Wir kommen sicherlich nachher noch mal auf das Thema Retro. Was kann man da benutzen?

Aber so jetzt komme ich mal so mit meiner Sicht aus. Vielleicht auch aus Transformationsprojekten, die auch vielleicht nicht so gut gelaufen sind. Zumindest bei den Menschen, mit denen ich spreche, die nicht so gut angekommen sind. Das ist ja auch immer eine Frage, wer bewertet den Erfolg eines solchen Projektes. Und da kommt ab und zu der Eindruck auf, dass eben sozusagen alles agil werden musste, wir müssen schneller werden und dass von bestimmten Menschen vielleicht gar nicht Wert daraufgelegt wurde. Da würde ich auch darauf achten, dass, was sich bewährt hat, wirklich zu bewahren, weil man natürlich dann auch sofort in die Gefahr läuft, alles klar, er will jetzt doch keine Veränderung. Das ist ja auch die Gefahr, die ich sehe, wenn ich Keep Management jetzt ein bisschen stärker bespreche. Es geht mir nicht darum, die Veränderung abzulehnen. Wir wollen Veränderung begleiten, wir wollen Veränderung absichern, indem wir auf Dinge achten, die wir bewahren wollen. Und um auch vielleicht noch mal dir auch von der Begrifflichkeit so ein bisschen näher zu kommen. Du hast ja gesagt, du musst erst mal gucken, was ist das überhaupt? Und das ist ja ein Begriff, der ist noch nicht so geläufig. Gab es Projekte, in denen du Keep Management implizit angewendet hast oder ihr das angewendet habt, auch wenn ihr das gar nicht so genannt habt. Also die Retro, ja klar, aber so auch vielleicht ein bisschen umfassender.

Christoph

Ja, definitiv. Wir starten häufig in so einem Transformationsprojekt mit einer kurzen Analyse, wo stehen wir überhaupt. Und das machen wir basierend auf sechs Ebenen in der Regel. Das hat Boris mal vor vielen Jahren entwickelt. Und wir nennen so die Erfolgsprinzipen einer modernen, agilen Organisation. Und du hast dann eine Ebene der Architektur, du hast eine Ebene der Infrastruktur, du hast eine Ebene der Skills, der Produktentwicklung.

Also verschiedene Ebenen, die alle dafür einzahlen, dass man am Ende eine moderne, agile Organisation bauen kann. Und was wir sehr stark am Anfang eines Projektes machen, ist tatsächlich uns anzugucken, was funktioniert in jeder dieser einzelnen Ebenen bereits gut und was wollen wir unbedingt beibehalten. Ich ergänze hier beibehalten mit, was möchten wir auch weiter skalieren in der Organisation. Wir haben ganz oft Dinge, die laufen gut, aber das heißt noch nicht, dass die systematisch im ganzen Unternehmen gut laufen, sondern da gibt es oft irgendwie Beispiele. Diese eine Einheit ist zum Beispiel verdammt schnell im Angebote beantworten und es wäre ja fatal, wenn wir jetzt eine Änderung reinbringen und das nicht mitnehmen würden. Und für mich ist auch dieses Thema so wichtig, in einem Veränderungsprozess, ist es immer so, dass wir natürlich was verändern wollen, aber gleichzeitig würden wir sagen, dass wir alles ändern, dann ist das ja auch immer so ein bisschen das Eingeständnis, es hat vorher gar nichts funktioniert und das trifft eigentlich für die wenigsten Unternehmen zu. Also ich habe noch kein Unternehmen getroffen, wo man wirklich sagen kann, da hat nichts gut funktioniert, wir müssen echt alles ändern.

Und wenn es so wäre, dann ist das, glaube ich, auch eine unglaubliche Herausforderung für die Mitarbeiter in diesem Unternehmen, weil alles auf einmal zu ändern ist auch ein riesen Vorhaben, was ja auch jede Menge Energie und Kräfte benötigt. Deswegen bin ich stärker dahinter, dass wir sagen, das funktioniert gut.

Das müssen wir gegebenenfalls vielleicht noch weiter skalieren, weil wir das nur in einzelnen Bereichen haben. Und es ist auch gut, da mal drauf zu gucken und zu sagen, das ist auch wunderbar und das wollen wir weiter nutzen. Und dann gibt es natürlich auch einen Veränderungsbedarf, aber der wird groß genug sein und man muss sich vielleicht nicht immer gleich der ganz großen Thematik annehmen.

Dierk

Okay, das heißt auf euren sechs Ebenen klärt ihr für jede Ebene, für jede Dimension, klärt ihr, was wollen wir beibehalten?

Christoph

Ja, definitiv. Beibehalten mit der Einschränkung auch noch und gegebenenfalls weiterskalieren. Außer wir sagen beibehalten, weil es heute schon im Unternehmen komplett gelebt wird in der Breite.

Dierk

Okay, das war jetzt das Positive, jetzt gucken wir uns das mal Negative an, also mit einem anderen Blickwinkel, vielleicht nicht negativ, aber andere Perspektive. In welchen Projektsituationen hättest du dir gewünscht, dass du mehr oder ihr mehr auf die Idee des Keep Managements geachtet hättet, um auch vielleicht bessere Ergebnisse zu erzählen?

Christoph

Ich glaube, es ist faszinierend für mich und das habe ich auch erst so richtig nochmal verstanden mit der Auseinandersetzung, mit diesem Konzept des Keep-Managements. Wir Menschen tendieren dazu, schnell mal eher auf die Defizitseite zu gucken, sehr oft. Jetzt kann ich dir erzählen, in dem gleichen Kontext, wir gucken oft am Anfang auch, was gut läuft und was man weiter skalieren könnte. Aber dann, wenn man sehr schnell mit den Mitarbeitern in die Kommunikation geht oder in die Diskussion, was denn jetzt als nächstes zu tun wäre, dann kommt man sehr schnell, ja, lass uns das verbessern, lass uns das verbessern. Und die Maßnahmen, die quasi, ich will mal sagen, hinter die Keep-Dinge gepackt werden, die guckt man sich dann weniger an. Das generelle Thema ist, dass man weniger Wertschätzung hat für Dinge, die schon funktionieren und man deswegen auch wenige Energie darauf verwendet, die in weiterer Folge zu behalten. Also ich habe das total oft erlebt, dass wir sagen, nach dem Motto ist ja nett, dass ihr auch aufgeschrieben habt, was gut funktioniert und was wir weiter tun sollen, aber wir klemmen dann keine Maßnahme dahinter,

Weil man es so abtut, als „das funktioniert doch schon“. Warum muss ich denn da Maßnahmen dahinterklemmen? Und ich denke, da hätte sich in vielen Projekten schon der ein oder andere Blick mehr auf diese Themen ausgezahlt, um in weiterer Folge das auch wirklich gut mitnehmen zu können.

Dierk

Das kommt aus einer Ecke, die ich auch als Herausforderung für das Keep Management sehe bzw. als Argument dafür. Ich glaube, dass und da bin ich auf deine Meinung auch gleich gespannt. Ich glaube, dass natürlich Menschen in Führungspositionen Veränderungen bringen müssen, um ihre Position zu rechtfertigen, um auch vielleicht den nächsten Karriereschritt zu machen und dass sie ja nicht geholt werden oder Berater häufig nicht geholt werden, um das Bestehende zu zementieren, wenn man es mal ein bisschen übertreibt. Also man will ja Veränderung und dann sieht man auch vielleicht die Gefahr, dass zu viel gut war oder der Eindruck ist, es war zu viel gut. Also kurzum, dass ich auch eben als Punkt wert Keep Management raus zuarbeiten, was ist denn wirklich sinnvoll zu behalten, wie ihr das ja auch macht mit den sechs Ebenen dort, aber dann auch trotzdem zu sagen, also wir verändern, aber wir müssen auch Stabilität beibehalten. Und das ist mir ebenso durch den Kopf gegangen, als du das erzählt hast, dass eben wahrscheinlich wirklich der ein oder andere bewusst oder unbewusst auf Veränderung aus ist, um Erfolge zu erzielen.

Christoph

Definitiv, ja. Ich denke, es muss eine gute Mischung sein. Ich habe gerade überlegt, während du das so vor dich hingedacht hast, ob ich irgendwie Prozente in meinem Kopf finde. Aber ich denke, es macht keinen Sinn. Das werden wieder so pauschale Aussagen. Ich glaube, was nicht sein kann, ist, dass wir 90% sagen, keepen, und 10% Veränderung. Also zumindest nicht in Transformationsprozessen. Ich glaube, in dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess macht schon Sinn, einen Großteil zu keepen und kleine Dinge dann zu ändern.

Aber ich bin häufig in Transformationsprojekten unterwegs und dann würde mich eine Ratio von 90 zu 10 eher wundern. Aber gleichzeitig kann auch nicht die Ratio 100 zu 0 sein, also 100 Prozent verändern und 0 Prozent behalten. Das Behalten, das macht absolut keinen Sinn.

Dierk

Interessant wird es dann, das habe ich in meinen DevOps-Schulungen häufiger erlebt, dass dann so nach einem halben Tag die Menschen, insbesondere aus dem IT-Betrieb, gesagt haben, das was du uns da von DevOps erzählst, das haben wir gemacht, bevor wir das und das gemacht haben. Also im Prinzip haben sie sich ein bisschen ironisch, aber auch ein bisschen sarkastisch, haben Sie bemerkt, dass das, was DevOps dort bringt, früher auch gemacht wurde? Natürlich in einem anderen Kontext. Also das war eben einfacher. Also man kann es nicht eins zu eins vergleichen. Aber wenn dann natürlich so ein Gedanke aufkommt, so ein Eindruck entsteht, ja, wir machen jetzt wieder was Neues, was wir früher schon gemacht haben und was früher funktioniert hat, das ist ja dann auch kritisch, was die Motivation der Arbeit angeht.

Christoph

Definitiv, das kann ich teilen.

Dierk

Wenn wir mal so ein bisschen auf die Praxis gucken, auf deine Erfahrungen, welche Herausforderungen hast du denn in der Praxis erlebt, wenn man als Unternehmen versucht hat, agile Methoden in bestehende Strukturen zu integrieren?

Christoph

Ich denke, da gibt es einen ganzen Blumenstrauß, wenn ich dazu zurückdenke, auch an meine letzten Vorhaben.

Ich denke, ein Kern ist, und das erlebe ich immer wieder, wenn Agilität verstanden wird als nur eine neue Methode. Nach dem Motto, wir haben jetzt quasi agile Arbeitsweisen und das ist einfach nur eine andere Art, Projekte zu führen, Projekte zu managen. Anstatt wirklich irgendwie eine grundlegende Änderung in der Haltung, wie mein Zugang zu Arbeit ist, wie mein Zugang zu Zusammenarbeit ist, ich glaube, da entstehen enorm viele Herausforderungen, weil dann kommt man in so einen klassischen Cargo Kult auch oft. Wir tun was und irgendwie bewirkt es aber auch nichts oder nicht so viel, wie wir uns ursprünglich erwartet haben. Ich denke, das ist mal eine sehr, sehr große Thematik. Wenn wir irgendwie gerade in Projekte auch kommen, wo Agilität noch nicht richtig gezündet hat, dann liegt es sehr oft daran, dass man einfach nur die Methodik übernommen hat und gar nicht so sehr das, was dahinter eigentlich steckt.

Das andere, was ich sehr häufig beobachte, ist zu diesem Thema Widerstand. Widerstand vor allem auch aus dem mittleren Management. Ich glaube, Widerstände gibt es überall, von der operativen Ebene, von der Top-Ebene. Mir fällt es aber größtenteils auf, dass wir ein starkes Potential für Widerstände in der mittleren Ebene haben, weil dort auch tendenziell am meisten Verantwortung dann auch abgegeben wird, weil die Topmannschaft wird weiterhin, auch wenn wir mit einem sehr, sehr agilen Konzept leben, weiterhin für die Strategie und für alles, was die großen Entscheidungen sind, angehen. Aber in der mittleren Ebene soll ja vieles der Verantwortung delegiert werden an die operativen Teams, die dann auch die meisten Informationen haben, um diese Entscheidungen zu treffen.

Und da gibt es auf jeden Fall auch eine große Herausforderung, gerade in dieser mittleren Management-Ebene. Und Agilität ist verdammt viel Disziplin. Ich ertappe mich immer wieder selber dabei, wenn ich auch mit meinem Team agil arbeite und dann sage, ach, Retro haben wir doch erst vor zwei Wochen gemacht. Muss das wirklich sein?

Selbst wenn du von dem Konzept überzeugt bist, habe ich einen enormen Respekt vor dieser Disziplin. Und das sehe ich auch in vielen Unternehmen. Da ist man relativ stressig mit der Disziplin dann über die Zeit geworden.

Dierk

Ja, vielleicht ist das ja auch eine europäische Kultur, weil ich in meinen Trainings immer wieder darauf hinweise, dass man beachten muss, wo Lean-Management herkommt, wo Agilität herkommt. Und das sind andere Kulturen. Also Disziplin in Japan, würde ich sagen, mit drei Ausrufezeichen überhaupt keine Diskussion. Und wenn man sich manche Sachen überlegt, die in Japan funktionieren, ohne dass irgendwelche Regelungen da sind, da helfen hier noch nicht mal Regelungen. Also insofern, ja, ein paar gute Punkte.

Du hast ja gesagt, also ein Erlebnis oder eine Herausforderung ist, wenn man Agilität nicht versteht, wenn man also an der Haltung nichts verändert. Nun glaube ich, persönlich selber ist die Haltung zu verändern eine große Herausforderung. Ich stimme dir auch zu, es geht nicht darum, jetzt eine Retro zu machen und mit Post-its an die Wand zu kleben oder mit Jira zu arbeiten. Klar, aber vielleicht ist da ja auch der Punkt dabei, dass man dieses Thema, was wollen wir bewahren, nicht gut genug erarbeitet und kommuniziert wird, also dass quasi Agilität nur damit in Verbindung gebracht wird, Dinge zu verändern, also anders zu machen. Und dann kommt, glaube ich, bei vielen Menschen erst mal sofort eine Art Abwehrhaltung. Also da könnte, glaube ich, sicherlich Keep Management helfen im Sinne von, auch wirklich von vornherein, wie ihr es ja auch macht, immer wieder zu gucken, was wollen wir bewahren.

Und du hast auch gesagt Widerstand aus dem Mittleren Management – würde ich ebenso unterstreichen. Auch da ist ja wahrscheinlich der Punkt da, dass die nämlich, oder es ist eine Vermutung von mir, ich will mal vorsichtig sein, dass sie Dinge bewahren wollen, weil das ist, womit sie auch groß geworden sind und aufgestiegen sind. Das denke ich darf man ja auch nicht vergessen. Und dort glaube ich, bei dem mittleren Management ist vielleicht der größte Druck da, das hast du ja auch gesagt, sich auf Neues einzustellen und sozusagen delegieren von Verantwortung ist ja eine Riesenveränderung.

Und da ist die Frage, was kann man da überhaupt bewahren? Also das wird wahrscheinlich eher schwierig sein, da sozusagen etwas zu finden, was wir bewahren wollen.

Gut und Agilität, Disziplin, da stimme ich dir zu. In meinen Scrum Trainings versuche ich immer, agile Missverständnisse aufzuklären. Und das gehört mit dazu. Also von wegen, wir machen mal, was wir wollen. Das ist nicht so.

Christoph

Ja. Das ist ja bei Weitem nicht so definitiv, ja.

Dierk

Du hast eben schon gesagt, kontinuierliche Verbesserungsprozesse kennen wir ja aus dem Kaizen, aus dem Lean Management. Gibt es da aus deiner Sicht Parallelen zwischen Keep Management und diesem Verbesserungsprozess?

Christoph

Ich habe dieses eine Thema sicher mit diesen Retrospektiven. Ich meine eben in dem kontinuierlichen Verbesserungsprozess.

Ist vielleicht nicht vorher mal so eine Retrospektive mit eingewoben, aber im kontinuierlichen Verbesserungsprozess hat er die Idee, dass man immer wieder ein kleines Ding angreift und sich besser macht. Und ich denke, auch wenn ich die Konzepte dahinter jetzt nicht ganz komplett im Detail kenne, da auch immer der Part drinnen ist, was können wir auch verstärken noch.

Also nicht immer nur drauf zu gucken, was funktioniert gar nicht, sondern was kann man auch dementsprechend stärken im Sinne von, wir haben vielleicht mal eine Verbesserung, kann ja auch sein, dass wir irgendwas gut gemacht haben und das weiter in die Breite bringen wollen. Das ist zum Beispiel, da denke ich auch immer an das Konzept der Sternfisch, Starfisch-Retro, genau die meinte ich.

Seestern-Retro, zwei kurze Verwechselungen zwischen Deutsch und Englisch. Im Sinne von, wo man auch viel darüber spricht, keep und extend oder more. Also im Sinne von, da funktioniert was und wir können darauf noch aufbauen und das sogar weiter treiben.

Dierk

Das erinnert mich an eine meiner kürzesten Retros. Das waren glaube ich nur 10 oder 15 Minuten, weil das bei einem Team war, die vorher echt Schwierigkeiten mit ihrem Review hatten.

Und dann haben wir wirklich nur ein paar Dinge verändert. Das haben wir nicht bewahrt. Da war nichts zu bewahren. Da haben wir Dinge verändert. Und es waren nur wenige Dinge, die wir verändert haben. Und die kamen aus dem Review raus. Und das war doch toll. Und das war super. Das haben wir kurz aufgeschrieben, damit wir es eben bewahren können. Und dann haben wir gesagt, so und jetzt gehen wir ein Eis essen. Keine Ahnung. Wir haben da wirklich nichts weiter gemacht. Wir haben den Erfolg sozusagen gefeiert. Und sie haben aber dann auch gemerkt, dass sie das eben bewahren können, also dass man genau etwas, was man verändert hat, bewahren kann.

Christoph

Ja, ein gutes Beispiel dafür ist, ein Review gut vorzubereiten. Könnte ja eine so eine Maßnahme sein. Das hat vielleicht einmal nicht funktioniert, dann ging es total in die Hose, beim nächsten Mal hat man was gut vorbereitet, dann lief es gut und dann wäre das ja ein Traum, das beizubehalten und so eine Art Checkliste zu schreiben, was muss alles für ein Review da sein. Vielleicht eine gute Vorbereitung, um das wieder zu einem Erfolg werden zu lassen. Haken dran, ja.

Dierk

Und Disziplin. Also ich meine, ich kann ja auch sagen, morgen haben wir Review, das kriegen wir schon irgendwie hin oder ich kann mich vorbereiten. Wie könnte denn ein stärkerer Fokus auf das Bewahren von Werten zum Beispiel im Sinne von Keep Management den Erfolg und die Nachhaltigkeit von agilen Transformationen verbessern?

Christoph

Definitiv, ja.

Ich denke, dass was ich oft sehe, und ich hatte das erst unlängst dann mit einem Kunden einen gemeinsamen Vortrag und da haben wir einiges unserer Prämissen vorgestellt und die war, dass wir Probleme nicht verschieben wollen. Wir wollen Probleme lösen. Denn was mir oft kommt ist, wenn man nur an das Neue denkt, nur an die Veränderung denkt, dass man manchmal Probleme verschiebt. Man hat so viel Fokus auf das, was nicht gut läuft. Das verbessern wir – idealerweise sogar und dann freut man sich und dann gibt es aber die Bereiche, die man quasi nicht beachtet hat und dort tauchen plötzlich Probleme auf. Wir sprechen ja von Organisationen, die auch systemische Systeme sind, also systemische Kontexte, wo natürlich Dinge auch miteinander verwoben sind. Und ich glaube, so etwas ist total wichtig, dass man einerseits auch auf die Dinge guckt, die man beibehalten will, weil ich sonst Probleme eher verschieben oder hüpfen sehe. Also ich hatte das einmal wirklich konkret bei einem Projekt auch, war ein sehr risikoreicher oder, ich will mal sagen, sicherheitskritisches Produkt, wo Risikomanagement einen großen Wert hatte, also gerade bei physischen Produkten, auch für Automotive, da ist immer auch wichtig Risikomanagement. Da nimmt man Agilität und du kennst ja auch das Agilitäts, den Kontext, den Inhalt, da ist jetzt per se keine Risikomanagement Methode vorgesehen. Und die haben sich so darauf konzentriert, Agilität einzuführen, dass die einfach alles weggeworfen haben, was früher mit Projektmanagement zu tun hat. Also sich nicht bewusst damit auseinandergesetzt haben und dann ist man sehr schnell in die ersten Risiken reingelaufen, wo man sich vielleicht davor strukturiert mal Gedanken machen hätte können.

Und ich finde, Risikomanagement beißt sich ja nicht mit Agilität. Man kann ja trotzdem agil in Iterationen und all den Themen arbeiten. Nichtsdestotrotz eine Risikomanagement-Liste pflegen. Wie beispielsweise, dass ich mir einen Second Source aufbaue. Dass ich mir Geld vorhalte, falls wir da mehr Kollegen brauchen. Und dann nicht einfach so zu einem Management um die Ecke komme und sag, oh mein Gott, ich brauch jetzt zehn Leute mehr. Sondern da ein Risiko im Wesentlichen aktiv manage.

Und ich denke, das wäre wichtig auch im Sinne des Keep-Managements, eben auf beides zu gucken und da nicht nur die Probleme zu verschieben. Also wir gewinnen mit Agilität, um bei dem Beispiel zu bleiben, wir implementieren agile Arbeitsweisen, werden damit schneller und lassen aber unsere professionelle Risikomanagement-Expertise, mit der wir gut in der Vergangenheit Risiken gemanagt haben, weiter bestehen.

Und idealerweise kommt dann ja was raus, und das ist ja das Geniale an Keep-Management, in Kombination mit Veränderungen vorantreiben. Idealerweise kommt ja dann was noch Besseres raus, wo wir beides schaffen. Unsere Probleme gelöst haben und sogar die guten Dinge, die wir bisher schon gut gemacht haben, weitergutmachen.

Dierk

Sehr schön. Ich wusste schon, warum ich mich auf das Gespräch heute gefreut habe und auf dich als Gesprächspartner. Was sind denn deiner Meinung nach die größten Erfolgsfaktoren für eine nachhaltige, wir wollen ja nachhaltig agieren, für eine nachhaltige agierte Transformation und was kommt davon oder was könnte man daraus aus dem Keep Management zuordnen?

Christoph

Ich denke, wo ich es stark sehe, ist dieses Thema, dass man das wertschätzt auch, was die Organisation bisher kann. Also für mich hat Keep Management ganz viel auch damit zu tun, Menschen das Gefühl zu geben, dass wir nicht alles neu machen müssen, sondern auch auf dem Hut aufbauen. Und das hat für mich ganz viel mit Motivation zu tun.

Ich denke, jeder weiß, dass eine Transformation einfach unglaublich viel Energie und Kraft kostet. Und wenn da jemand mal reinkommt, sei es nur die neue Führungskraft, haben wir ja vorher darüber gesprochen, die jetzt sagt, ich komme jetzt neu rein und wir müssen alles anders machen, weil hier ist alles schlecht.

Da entsteht normalerweise relativ wenig Motivation. Sondern mehr darüber nachzudenken, wie kann ich auf dem, was gut ist, aufbauen, das weiter nutzen, um dann trotzdem die eine oder andere Veränderung anzugehen. Das hat für mich was mit nachhaltiger Transformation zu tun, dass man die Menschen auch motiviert, diesen Veränderungsweg zu gehen. Das hat auch eine gewisse Beharrlichkeit. So ein Weg wird nicht einfach. Wenn ich dann immer nur auf die Punkte gucke, die nicht funktionieren, das macht auch müde.

Ich hatte einige Transformationsprojekte, wo wirklich Menschen transformationsmüde waren. Und das hat viel damit zu tun, glaube ich, auch, dass man Erfolge nicht genießt, dass man nicht zurückschaut. Und für mich ist das genau das gleiche Thema. Retrospektive, man guckt nie zurück über das, was wir schon geschafft haben, was gut läuft und so weiter. Und irgendwann wird man müde, weil man ständig nur an Themen arbeitet und nie das Gefühl hat, dass man irgendwas auch mal abschließt und gut läuft.

Dierk

Ja, das stimmt. Also ich glaube, also das Erfolge ist natürlich das eine, aber das andere ist auch wirklich, welcher Eindruck eben bei den Menschen entsteht, wenn man andauernd nur hört, was alles schlecht läuft. Natürlich kann man sich freuen, wenn man das dann verändert hat, aber das würde ja bedeuten, dass man jahrelang quasi sozusagen Fehler sucht oder Missstände aufdeckt, um sie zu verändern. Also dass man auch wirklich mal innehält. PDCA lässt grüßen. Also auch wirklich mal innehalten und sagen, hey, können wir mal feiern? Das müssen wir auch halten können und so weiter. Ja, cool. Und was wollte ich? Hat mir eben noch ein Gedanke eingefallen bei dem Keep Management. Na ja, kommt mir wahrscheinlich wieder später.

Jetzt haben wir sozusagen Erfolgsfaktoren uns eben angeschaut, auch mit den Kulturen oder mit der Kulturveränderung und darauf zu achten, wirklich Keep Management auch positiv zur Stabilität zu nutzen. Gibt es aus deiner Sicht auch Stolpersteine bei Lean und bei agilen Methoden, gerade wenn wir in dieser Episode darüber sprechen, dass wir etwas bewahren wollen, also Strukturen oder Prozesse bewahren wollen.

Christoph

Ja, absolut. Ich meine, da gibt es natürlich immer so die, wie nennt man diese Beharrungskräfte, die im Unternehmen wirken. Ich glaube, eine Transformation hat viel damit zu tun, dass man natürlich die Dinge, die gut funktionieren, weiter macht und auf der anderen Seite muss man auch bestimmte Dinge aufbrechen. Und gerade wenn ich dann Richtung bestehende Strukturen oder Prozesse auch gucke,

Viele führen das als parallel ein, dass wir quasi auf der einen Seite dieses Thema Lean Agile haben und das aber parallel dazu einführen zu der Organisationsstruktur, die wir heute im Unternehmen vorfinden. Und da spricht man häufig, kennst du sicher auch aus den Begriffen Dual Operating System, wird viel debattiert auch, ist das gut, ist das weniger gut.

Ich bin eigentlich eher der Verfechter, der sagt, über die Zeit muss es angepasst werden. Ich glaube, man kann gut mal starten. Ich glaube, eine lean-agile Einführung ist, glaube ich, schwer genug, auch wenn man nicht gleich die ganze Organisationsstruktur mit aufgräbt. Und umgekehrt will ich aber auch sagen, irgendwann muss man sich auch mal ran trauen. Und auch da, ich verschließe mich vor den Dingen, dass wir immer sagen, 100-0.

Das heißt ja nicht, dass wenn ich die Organisationsstruktur angreife, dass wir nicht auch sagen, dass da Dinge gut funktioniert haben. Die wollen wir beibehalten. Vielleicht gab es einen Expertenpool für, weiß man nicht, für die Sonder-Top-Spezialisten. Warum die nicht weiter nutzen, wenn der immer gut funktioniert hat? Und nichtsdestotrotz kann ich ja andere Dinge auch verändern und wieder aufbrechen. Ich glaube wir müssen generell bei Organisationsstrukturen bin ich ein totaler Freund davon, das fluider zu denken, zu gestalten, auch mal anpassen und nicht immer nur auf die nächste Reorganisation zu warten und dann gibt es den Big Bang. Und das geht noch weiter, das hat auch mit Festhalten an bestimmten Rollen und Funktionen zu tun, das alles nicht so einzufrieren. Also wäre zumindest mal eine Interpretation auch gut im Sinne von Keep Management. Keep Management heißt ja nicht alles einfrieren. Also ich würde gerne alles fluid denken und Änderungen zulassen und ermöglichen und dann kann ich mir immer noch Gedanken machen, was möchte ich behalten und was möchte ich ändern und darauf passieren die nächsten Schrittwagen. Ich glaube, was nicht funktioniert sind so diese Beharrlichkeitskräfte, diese Killer-Phrasen, das haben wir immer schon so gemacht. Ich denke, das ist auch nicht im Sinne des Keep Managements, das kann ich mir nicht vorstellen.

Dierk

Nein, das ist es nicht. Aber wenn du das Thema zweites Betriebssystem mit ins Gespräch einbringst, finde ich das sehr interessant, weil ich bin auch kein Freund von Double Operating System, auch wie du. Also irgendwann muss ich darüber mal diskutieren. Und dann würde ich sagen, wenn ich Keep Management ganz einfach verstehe, dann würde ich sagen, natürlich, das hat ja funktioniert. Ja, und das behalten wir bei, quasi wirklich als gesetzte Organisationsform, Hierarchie und so weiter. Und wenn man dann dediziert daran geht und sich fragt, wie das Beispiel, das mit den Experten hat, funktioniert, ja, warum sollen wir die fünf Experten, die wir haben, irgendwie auf acht Teams aufteilen? Also das lasst uns doch so beibehalten und gucken, ob wir das beibehalten und vorher auch zu klären, warum behalten wir das bei, nämlich weil es sich bewährt hat. Also das können wir ja in dem Sinne beibehalten. Aber andere Punkte, die sich eben nicht bewährt haben, dann eben auch entsprechend abschaffen. Und dann würde ich Keep Management auch sehen, als Hilfsmittel wirklich genau rauszuarbeiten, was hat sich wirklich bewährt und was hat sich nicht bewährt.

Und dann vielleicht auch rauszuarbeiten, okay, das hat sich bewährt, aber wir haben andere Punkte, die sind uns wichtiger. Also wir verändern es vielleicht trotzdem, weil wir in der Vergangenheit damit gut gefahren sind. Dann wissen wir aber, was wir quasi sozusagen als neue Benchmark haben, wo wir dann doch irgendwann mal wieder hinkommen müssen. Weil die Frage wird zum Beispiel sein, na ja, wer macht denn Personalentwicklung? Wer macht denn meine Mitarbeiterentwicklung? Und dann zu sagen, na ja, das kann man auch anders machen. Das ist dann eine Frage, die man eben genau klären muss.

Wie können Unternehmen denn sicherstellen, deiner Meinung nach, deiner Erfahrung nach, dass sie während einer agilen Transformation nicht nur die neuen Methoden einführen? Das hast du ja vorhin gesagt, dass man auch an anderen Dingen arbeitet, denn zum Beispiel auch, wie kann man sicherstellen, dass wir bestehende, wertvolle Prozesse im Sinne von Keep Management bewahren können?

Christoph

Ich glaube, für mich ist es stark und das, was ich als Empfehlung mit raussprechen kann, ist, wir machen es halt mit dieser Status-Quo-Analyse, aber es heißt auch nicht, dass man die immer nur am Anfang macht und dann gar nie mehr, sondern einfach ein Analyseinstrument und das müssen nicht die sechs Ebenen sein, die wir da verwenden.

Aber immer in den Ebenen, wo man was verändern will, und sei es jetzt auch nur, wenn wir uns nur Organisationsstruktur vornehmen, immer zu gucken, auf beide Seiten. Ich glaube der Reflex, den ich anbieten kann aus dem Agilen ist, immer auf beides zu gucken und den kann man aus der Retro mitnehmen. Auf das, was ist gut und was möchte ich behalten und was möchte ich verändern.

Und dann, glaube ich, wenn man diese ganzen Maßnahmen hat, dann geht es um die Priorisierung, das hast du gerade auch angesprochen. Da muss man das quasi miteinander abwägen. Wo packe ich entsprechend dann die Energie dahinter, um das genauso sicherzustellen und dann auch die Transformation letztendlich weiter zu treiben. Und ich glaube, da ein Modell zu finden oder vielleicht ist es auch nur eine Transformationsretrospektive, was auch immer, wo man ständig oder nicht ständig, also in regelmäßigen Abständen, will ich mal sagen, hinterfragt, was möchte ich auch behalten und was möchte ich weiter verändern. Das dann miteinander gegeneinander abwägen. Manche haben ja auch wahrscheinlich Interdependenz zueinander und dann dementsprechend da voranschreiten. Ja, hau raus.

Dierk

Jetzt weiß ich übrigens, was mir vorhin eingefallen war, was ich noch sagen wollte, und zwar genau der Hinweis auf die Folge 37 mit dem Jörn Ehrlich, weil du das ja im Prinzip auch immer wieder gesagt hast mit deinen Worten, die sozusagen das erste Gesetz und die erste Gesetzesmäßigkeit oder die wichtigste, vielleicht auch, zu sagen, akzeptiere das, was ist.

Das war für mich auch ein Learning, auch für mich, weil ich kann Dinge nicht mögen, ich kann Dinge ablehnen, aber trotzdem muss ich es ja erstmal akzeptieren. Also das akzeptieren, das was ist und dann kann man eben überlegen, was macht man daraus, was macht man damit. Das wollte ich nochmal ergänzend dazu, weil der eine oder andere hört, diese Folge jetzt vielleicht, weil du sie in deinem Netzwerk teilst, deswegen wer Interesse am Keep Management hat, darf gerne so vier Folgen zurückgehen und dann so nach und nach sich vorarbeiten.

Und das andere, was ich jetzt noch zu dem Thema sagen wollte, was du gerade noch mal ausgeführt hast, der Horst Lempart, mit dem ich das Thema ja weiterentwickele, der hat ja die Idee eines Keep-Managers ins Spiel gebracht. Und das finde ich sehr interessant, nämlich genauso wie wir im Prinzip einen Scrum Master haben, der eben für die Agilität zuständig ist, der die Prozesse kennen muss und so weiter, der dem Team helfen muss, selbst organisiert zu werden und eben dann ein Keep Manager, der darauf quasi auch mit seinen Methoden kommt und darauf achtet, was können wir denn beibehalten, damit wir dem, was wir beibehalten wollen, auch Gehör verschaffen und auch fundiertes Gehör verschaffen.

Christoph

Ne, kann ich absolut nachvollziehen. Ich glaube, dass, was mir immer wieder auffällt, ist, dadurch, dass man Dinge auch immer wieder angreift, immer wieder neu entwickelt, dass da auch unglaublich viel Ineffizienz mit drinnen ist. Ich glaube, da können so Rollen gerade auf so Dinge, wo sich andere Menschen schwertun, immer wieder hinzugucken. Und deswegen ist ja mit unter anderem der Scrum Master auch da, weil uns Menschen schwerfällt, dann diszipliniert zu sein. Ich bin meinem Scrum Master dankbar, der dann sagt, Christoph, also du weißt doch, wir brauchen doch eine Retro, um wieder zu lernen, um uns wieder zu verbessern. Und dann, wenn mich jemand daran erinnert, dann sag ich ja auch, ja lass uns machen, das ist eine gute Idee.

Ich bekomme schnell wieder die Idee gespiegelt und habe dann auch Bock drauf und finde die auch sinnvoll. Und ich glaube gerade, dass uns in solchen Bereichen, wo wir als Menschen dazu tendieren, ich will mal sagen, eher quasi darüber hinwegzusehen oder es mal leichter zu verdrängen, eigene Rollen zu haben, super wertvoll. Weil die erinnern einen dann daran und dann ist man ja mit dabei. Für mich ist es so ein bisschen wie ein Fitnesstrainer, den man sich zum Beispiel holt, damit man es richtig macht, damit man es regelmäßig macht. Also da ist Wissen natürlich dabei, aber auch viel Erinnerung und immer wieder dranbleiben.

Und ich glaube, da können auf jeden Fall eigene Rollen helfen, weil die natürlich einen starken Fokus darauf haben und dann die Themen natürlich auch dranbleiben. Am Ende geht es ja ums Ergebnis. Und bei allen drei Rollen, also Fitness-Trainer, Scrum-Master oder Keep-Manager sollte ja am Ende das Ergebnis sich dafür lohnen.

Dierk

Ja. Und mit dem Zeigefinger kommen. Mit dem disziplinierten Zeigefinger. Ja.

Ja, das stimmt. Das ist ein guter Aspekt. Du hast vorhin von verschiedenen Ebenen gesprochen. Du hast von dem mittleren Management gesprochen, was ein bisschen aus der Außenwahrnehmung bremst. Ich kann sie an vielen Stellen nachvollziehen. Also es soll jetzt hier kein Bashing auf die mittlere Führungsebene sein. Gibt es aus deiner Sicht verschiedene Blickwinkel, also welche Rolle spielen denn die verschiedenen Führungsebenen beim erfolgreichen Bewahren im Sinne von Keep Management eben in agilen Transformationsprojekten?

Christoph

Ich glaube, das eine ist für mich, was ich schon kurz angerissen habe, im Sinne von „die Motivation schaffen“, dass wir nicht alles für schlecht halten in dieser Organisation. Ich denke gerade auf der Top-Ebene, wo es ja ganz stark darum geht, Mitarbeiter zu motivieren, sich dieser Veränderung, diesen Veränderungsprozess zu stellen und da auch aktiv mitzuarbeiten, kann es nur helfen, wenn man die Kommunikation so wählt, dass wir natürlich auch die Dinge, die gut laufen, weiter behalten. Das verstehe ich auch oft, dass man dann zu sehr in dieses, wir müssen alles ändern reingeht. Wenn ich in ein typisches Unternehmen komme, wo eine Transformation ansteht, ja, manchmal sind die sogar Marktführer und das haben sie und das haben sie. Also da ist immer etwas, was noch da ist, was unbedingt bleiben muss, weil sonst wären meine Hypothesen, sonst wären die gar nicht so weit gekommen, wo die heute schon sind. Ich glaube, das ist gerade auf der Top-Ebene wichtig. Und für die mittlere Ebene ist es für mich wichtig, dass man denen das Gefühl gibt, dass eben Dinge auch bewahrt werden. Weil häufig habe ich natürlich auch dafür gesorgt, dass diese Prozesse laufen, dass da was entsteht, dass da eine Wertschöpfung zusammengekommen ist. Und ich glaube, für mich ist es auch eher ein Thema, dass es oft dann als Bremse wahrgenommen wird, wenn man die nicht richtig ansteuert, im Sinne von wenn man da die falschen Anreize setzt. Ich habe umgekehrt Transformationen erlebt, da waren die ein regelrechter Katalysator, wie ein Brandbeschleuniger für eine Veränderung, wenn man die mit an Bord hat und wenn die wissen, warum sie das tun und das auch gut finden. Und ich denke, die finden das gut, weil man eben nicht mit einer Pauschalaussage kommt, nach dem Motto, ihr habt jetzt alles schlecht gemacht bisher, wir müssen jetzt alles verändern. Also da motivierst du niemanden. Wenn jetzt Boris bei mir um die Ecke kommt und sagt, ihr müsst alles ändern, Christoph, so wie du das machst, alles falsch, alles muss geändert werden, da entsteht keine Motivation, auch nicht bei mir, obwohl ich sicher ein großer Verfechter von Transformation bin. Ja, und die operative Ebene, also das zieht sich für mich durch auch auf der operativen Ebene, hat ganz viel mit Motivation zu tun.

Ich erlebe so viele Teams, die sich da nicht wertgeschätzt fühlen, wenn einfach irgendwie ein neuer Scrum Master um die Ecke kommt, der sagt, wir müssen jetzt alles anders machen. Sondern da sich wirklich auseinandersetzt, was sind denn unsere Probleme? Und da auch neutral draufguckt und sagt, okay, das müssen wir angreifen, das müssen wir ändern und andere Dinge, die wunderbar funktionieren. Ich weiß nicht, dass wir einen Code Review gerade großartig machen, warum müssen wir das dann anders machen? Warum muss ich zwanghaft, weiß ich nicht, ein Pair Programming einführen, wenn das gerade wunderbar in einem anderen Modus funktioniert? Und ich glaube, darum geht es in letzter Konsequenz.

Dierk

Ja, interessant, was du sagst mit der Kommunikation. Dann wäre ja die Aufgabe eines Keep-Managers, nochmal auf den Foliensatz vom Programm drüber zu gucken, wenn das vorgestellt wird, dass da mindestens eine Folie drin ist, die auch nicht nur das neue Org-Chart aufzeigt und die neuen agilen Prinzipien auch mal hat. Und das wollen wir auch bewahren. Das wäre, glaube ich, schon ganz schön hilfreich.

Christoph

Absolut, ja. Es ist auch eine Wertschätzung am Ende immer für die Menschen, die da bisher im System waren, die das mit ausgearbeitet haben, wie das, nicht jeder, wie das Falsche zu haben. Aber wir Menschen fühlen uns tendenziell auch schnell angegriffen, wenn es um eigene Babys geht. Und ich kann das total nachvollziehen, wenn ich einen langen Artikel geschrieben habe und ich schon extrem viel reingesteckt habe, dann ist es auch mein Baby geworden. Dann will ich auch Feedback nicht immer unbedingt hören. Ich habe letztes Mal einen Artikel geschrieben, da hat jemand gesagt, da ist kein Roter Faden drin. Ich war entrüstet am Anfang, die ersten 15 Minuten, um mich dann wieder quasi zu selbst kalmieren und sagen, okay, die Person hat ja recht, das ist meine Zielgruppe. Aber ich glaube, das passiert automatisch, wenn wir irgendwie an was ganz lange gearbeitet haben, dass wir es dann einfach eine Spur weit auch persönlich nehmen, wenn dann jemand kommt und sagt, das muss geändert werden.

Dierk

Und jetzt weiß ich, was ich sagen wollte zum zweiten Mal, nämlich genau auch das ist ein Punkt, der von Jörn Ehrlich in der Folge oder Episode 37 angesprochen wurde. Also wirklich auch zu sagen, es gibt gewisse systemische Gesetzmäßigkeiten und da taucht das auch auf, was du gerade gesagt hast, eben mit anderen Worten. Also insofern, zweiter kleiner Werbeblock für die Episode 37.

Wir haben davon gesprochen, dass wir die Führungskräfte nicht bashen wollen. Und ich glaube, dass wir auch beide dort viel Verständnis haben für die Führungskräfte. Wie kann man denn Führungskräfte davon überzeugen, dass das Bewahren von bestimmten Prozessen und Strukturen genauso wichtig ist wie Innovation und Veränderung? Also das brauche ich natürlich nicht bei den Menschen machen, die die bremsen wollen, warum auch immer, aber du hast ja gesagt, es gibt ja auch die Brandbeschleuniger. Also wie kriegt man bei den Führungskräften, die das Thema Agilität vorantreiben wollen, wie kriegt man das hin, dass die auch auf das Bewahren achten?

Christoph

Ja, ich glaube, das eine ist schon mal Sicherheit geben im Sinne von durch eine klare Kommunikation und deswegen habe ich vorher auch die Kommunikation als so wichtig geachtet bei der Top-Ebene. Durch die klare Kommunikation, dass das auch wichtig ist, weil das hat mal jeder schon am Schirm, dass ich sage, okay, den Führungskräften, jetzt guckt mal in eure Bereiche und schreibt mal, also überspitzt formuliert, und schreibt mal auf, was alles nicht funktioniert, was geändert werden muss, aber schreibt bitte auch auf, was funktioniert und was sie unbedingt beibehalten.

Also das schafft für mich Sicherheit, weil sich auch nicht alles verändern muss. Das nimmt auch so ein bisschen den Druck, finde ich. Ich bleibe wieder bei dem Beispiel, wenn du mir sagst, Christoph, du musst alles ändern, jeden deiner Prozesse, das schafft nicht unbedingt Sicherheit. Und Sicherheit wird es schaffen, wenn wir sagen, okay, der Akquise-Prozess läuft gerade gut, da wollen wir nichts verändern, wir müssen uns aber stärker ums Key Accounting kümmern. Was auch immer. Aber dann ist das für mich so was Großartiges. Dann lass uns die Akquiseprozesse so beibehalten, lassen uns aber trotzdem Maßnahmen setzen, damit wir dort unsere Stärke nicht verlieren und dann trotzdem gleichzeitig in dem anderen Bereich besser werden. Und ich glaube, es ist schon für so ein Thema von Awareness, einfach Awareness sorgen, dass Themen oder Sachen oder Dinge, die wir tun, verschwinden könnten, wenn wir sie nicht bewusst in den Fokus setzen.

Und ich glaube, da kriegt man Führungskräfte auch überzeugt, dass es nicht einfach nur eine Fleißaufgabe ist, dass ich mich um Akquisemanagement kümmere, sondern dass da wirklich die ehrliche Annahme dahintersteckt. Wenn wir uns da nicht fokussieren auch drauf, dann besteht die Gefahr, dass wir gute Dinge verlieren. Und das wäre mega schade, weil sonst wird aus einem mittelmäßigen Unternehmen wieder ein mittelmäßiges Unternehmen. Das war das mit Problemen verschieben von vorher, ne? Also, mag schon sein. Dann machen wir wunderbares Key-Account-Management. Großartig. Unsere aktuellen Kunden lieben uns. Ja, nur der Stream von Neukunden wird immer weniger, ja? Und dann habe ich das Problem nur verschoben. Vielleicht mache ich sogar gleich viel Umsatz wie vorher. Aber ich habe das Problem nur verschoben. Und genial wäre ja, wenn beides gut laufen würde, weil dann wäre meine Hypothese, dann entsteht auch mehr Umsatz. Und dann das glaube ich tatsächlich fest.

Dierk

Ja, also das kann ich nachvollziehen. Und du hast es so schön gesagt, dass wir eben nicht alles ändern müssen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wir müssen nicht alles ändern, dass das eben entsprechend kommuniziert wird an die Führungskräfte, aber auch an die Mitarbeitenden an der Stelle. Damit nicht der Eindruck entsteht, na ja, wir können jetzt nicht alle Teams oder den ganzen Unternehmensbereich komplett umstellen sofort. Na ja, in einem Jahr sind wir dann dran, so ungefähr. Also im Sinne von einem Jahr müssen wir dann auch mal agil werden oder so. Dann würde ich zu sagen, das, was man behalten muss, du hast ja gesagt, so etwas muss es geben, so etwas wird es geben in jedem Unternehmen und dass man das wirklich auch von Anfang an rausarbeitet und das auch klar kommuniziert, nämlich zu sagen, das wird beibehalten, das kippen wir. Mit welchen Agilen und Lean-Methoden können wir denn deiner Meinung nach dieses Keep Management umsetzen? Also ich versuche ja mit dieser Podcast Episode sozusagen Lean und Agilität mit Keep zu verbinden. Ich glaube, das merkt man auch an den ganzen Fragen, an den Themen, die wir besprechen. Also wie kann man oder hast du ein paar Ideen, wie man Agile und Lean Methoden da sozusagen nutzen kann, um auf das Bewahren zu achten?

Christoph

Ja, ich meine, im Kern einer agilen und leanen Methodik steht ja immer der PDCA-Zyklus. Also planen, tun, checken und acten. Also im Sinne von checken und mit dem acten dann agieren.

Und für mich ist so ein wunderbares Tool, ich glaube, ich habe es schon ein paar Mal erwähnt. Also ihr seht durchaus, dass ich da ein Verfechter davon bin, auch wenn ich selber manchmal in meiner eigenen Disziplin dann geneigt bin, auch gerne mal verzichten zu wollen. Dieses Instrument der Retrospektive, und die wird ja in der Regel in der Checkphase eingesetzt, wo ich drauf gucke, als Instrument quasi ein LessonsLearned, wenn man es jetzt mit einem Projektmanagement-Ansatz vergleicht, aber das ich regelmäßig mache. Also ein LessonsLearned nicht am Ende des Projekts, sondern kontinuierlich während der kontinuierlichen Zeit. Und wenn ihr da Retro-Formate anguckt, dann seht ihr, dass die in der Regel, und ich würde sogar behaupten, eine Retrospektive ist fast nicht richtig ausgeführt, wenn man da nicht auch auf das guckt, was man behalten will. Da kann man wirklich durch eine ganze Bandbreite in retrospektiven Formate gucken. In der Regel wird am Anfang systematisch, und das finde ich so wichtig, und deswegen ist für mich auch so eine wichtige Methode in diesem Kontext, systematisch auch auf das geachtet, was ich behalten will, um das zu verinnerlichen, auch bewusst wertzuschätzen. Ich glaube, das hat so viele Aspekte. Das hat was mit Wertschätzung zu tun, dass wir uns die Zeit nehmen, das auch mal auszusprechen, dass wir das gut tun. Und das andere ist, dass wir es ins Bewusstsein rufen, dass wir weiter Energie investieren sollen, um das zu behalten. Und ich glaube, das ist ein Aspekt.

Dierk

Ja, du hast ja vorhin von der Starfish Methode gesprochen. Ich habe daraus gehört, dass dir das gefällt. Und es ist, glaube ich, eigentlich eine meiner Lieblingsmethoden. Also jeder hat ja so seine Lieblingsmethoden. Und jetzt weiß ich auch vielleicht, warum das immer auch schon so ein bisschen meine Lieblingsmethode war, weil wir eben nicht nur bessere Ergebnisse bekommen für Veränderungsbedarf, sondern auch den Hinweis bekommen. Was können wir beibehalten? Und das ist ja eben wirklich wichtig. Und wenn ich die richtig durchführe, dann können ja auch die Menschen etwas beibehalten wollen ihren Platz finden. Also sie können ihren Platz finden und können wirklich darlegen, warum sie der Meinung sind, dass man etwas beibehalten sollte. Und ja, und ich meine, abgesehen davon, man sieht daran ja auch sehr schön, wie die Stimmung in dem Team ist, weil ich kann ja Dinge beibehalten, ich kann Dinge verändern, je nachdem, wie ich das formuliere. Und dann ist es auch, glaube ich, wirklich ganz schön zu sehen, hey, die wollen ziemlich viel beibehalten, gar nicht mal so, die wollen nichts verändern, sondern da läuft schon einiges gut. Und das können wir nämlich hiermit transparent machen.

Christoph

Ja, das Schlimmste wäre ja, wenn du die Starfish machen würdest und es würde nirgendwo verstehen. Dann hast du ein Problem. Aber genau, wenn das steht. Und ich mag die wirklich auch gerne. Also für mich ist Starfish Methode tatsächlich. Ich habe letzte Woche eine Retro gemacht, die habe ich mit der Starfish Methode gemacht.

Und das nicht nur, weil ich schon den Gedanken mit dem Keep-Management natürlich auch die Podcast-Folge vorbereitet habe. Aber für mich ist es einfach die Unterscheidung in diese fünf Dinge. Du hast Start, Stop und Weniger. Was natürlich klassisch drei Elemente sind, wo du was verändern willst. Wo du wirklich sagst, ich will was starten, ich will was unbedingt stoppen und ich will was weniger tun. Aber es hat eben auch die zwei anderen Dinge mit More. More finde ich großartig, weil das erlebe ich so oft.

Das, was im Kleinen schon gut funktioniert, das hatte ich auch am Anfang angesprochen, es geht um dieses Skalieren. Es funktioniert schon irgendwo was gut, aber es ist nicht systematisch im ganzen Kontext angewendet und wir haben einfach das bewusste Keep. Also das Keep steht als eines der Dimensionen in der Starfish Methode mit drinnen und deswegen mache ich es auch gerne tatsächlich.

Dierk

Cool. Ich gucke auf die Uhr.

Und die Uhr sagt mir, dass wir so ungefähr uns der Stunde nähern, die ich immer so als gute Zeit empfunden habe. Gibt es irgendetwas, Christoph, was du noch nicht gesagt hast, was du noch gerne sagen würdest, wo du auch weit im Laufe der letzten Stunde sich bei dir noch ein paar Synapsen verbunden haben? Gibt es von dir eine Zusammenfassung, also irgendwie noch so eine Art Schlusswort von dir, eine Art fachliches Schlusswort?

Christoph

Ja, da muss ich viel zusammenbinden, um da also eine gute Zusammenfassung zu binden. Ich glaube, wichtig ist, dass man die Systematik dahinter erkennt. Also agil, für mich, war ein Ding, um Keep Management systematisch in einem Unternehmen leben zu können, hilft ein Blick auf die Checkphase des PDCA und insbesondere in der agilen Methodik auf die Retrospektive. Einfach ein wirklich simples Werkzeug. Derjenige, der die Staffel Retro nicht kennt, guckt mal drauf, ihr versteht das in drei Minuten. Und das finde ich so wertvoll, weil man mit dem ein systematisches Tool hat, wie man mit einem Team, mit einem ganzen Bereich, mit einer ganzen Organisation eigentlich systematisch auch auf die Dinge gucken kann, die man bewahren möchte.

Das finde ich wertvoll und das kann ich auf jeden Fall mitgeben.

Dierk

Super. Und also man kann es auch machen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Also habe ich auch schon gemacht. Also ist sehr, sehr vielfältig einsetzbar. Sehr schön. Gut. Also strukturiertes Vorgehen glaube ich, das ist ein wichtiger Punkt. Und das war jetzt die 39. Episode. Vielen Dank Christoph für dich, für deine vielen und guten Worte. Und ich freue mich jetzt auf die Fragen meiner Zuhörenden und auf das Feedback dazu.

Ihr könnt mir Kommentare unter die Episode schreiben. Ihr könnt mich natürlich direkt anmailen. Ihr könnt direkt Kontakt zu mir aufnehmen, damit ich auch vielleicht noch Themen habe, die ihr bis jetzt noch nicht in meinen Podcast Episoden gehört habt. Also damit wir weiter Nadelstiche setzen können für ein lebendiges und für ein erfolgreiches Business. Danke Christoph.

Christoph

Danke dir für die Einladung, Dierk. Hat mir sehr viel Spaß gemacht. Danke.

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