Macht und Selbstausbeutung
Zusammenfassung
In dieser Episode spreche ich mit Stephanie Borgert, einer Expertin für Komplexität und Autorin, über die spannenden Themen Macht und Selbstausbeutung in der Arbeitswelt. Stephanie beleuchtet, wie New Work und Selbstorganisation oft unbemerkt Konformität und Kontrolle fördern können. Sie beschreibt Macht nicht als individuelles Privileg, sondern als dynamisches Prinzip, das unser Handeln prägt. Besonders faszinierend ist ihr Bezug auf Michel Foucaults Machttheorien, die sie auf moderne Arbeitskontexte überträgt.
Im Gespräch hinterfragen wir die oft idealisierten Vorstellungen von Selbstorganisation und diskutieren, wie Verantwortung und Freiheit in Teams zu Selbstausbeutung führen können. Stephanie zeigt auf, wie Machtstrukturen in Organisationen wirken und welche Rolle systemisches Denken dabei spielt. Ihre Analysen regen dazu an, kritisch über agile Frameworks und New-Work-Ansätze nachzudenken, die nicht nur Chancen, sondern auch Herausforderungen mit sich bringen.
Diese Episode liefert wertvolle Impulse für Führungskräfte, Teammitglieder und alle, die sich mit moderner Arbeitskultur beschäftigen. Freue Dich auf inspirierende Denkanstöße und neue Perspektiven auf Macht, Verantwortung und Organisationen. Viel Spaß beim Hören!
Transkript der Episode
Dierk
Hallo und herzlich Willkommen zur 41. Episode des Business Akupunktur Podcast. Heute mit dem Titel „Macht und Selbstausbeutung“. Ich freue mich auf dieses Thema und meine Gästin in Stephanie Borgert. Ich bin auf Stephanie über einen ihrer Blog Beiträge gestoßen, der namensgebend für diese Episode ist. Stephanie Borgert ist Komplexitätsforscherin und Ingenieurinformatikerin. Das managen von Komplexität und dynamischen, komplexen Projekten sind ihre Leidenschaften, denn darin sind wesentliche Aspekte wie Führung, Management, Kommunikation, Achtsamkeit und Systemtheorie enthalten. Und all das kommt ja hier auch gerne in dem Business Akupunktur Podcast vor. Gemeinsam mit ihren Kunden stellt sie immer wieder fest, dass es oft gar nicht so die großen, gestylten und strengen Prozesse sind, sondern die vielen kleinen Stellschrauben in einem System, die es zielorientierter, wertschätzender und erfolgreicher machen. Mittlerweile hat Stephanie Borgert als ehemalige Wirtschaftskolumnistin der Frankfurter Rundschau 8 Bücher veröffentlicht. Ihr Buch „Unkompliziert“ war 2018 Wirtschaftsbestseller und für ihr aktuelles Buch „Gemeinsam denken, wirksam verändern“ hat sie gerade am 25.02. den diesjährigen Buchpreis des DVCT bekommen. Herzlichen Glückwunsch dazu nochmal Stephanie. Dieses Buch werden wir sicherlich in einer zukünftigen Episode von mir nochmals intensiver thematisieren, weil es sehr schön auch zum Thema Keep Management passt. Die regelmäßig Hörenden werden sich an meine kleine Miniserie zum Keep Management erinnern. Ich werde dieses Thema weiter ausbauen. Heute starten wir doch erstmal mit Macht und Selbstausbeutung. Ich suche für meine Podcast Episoden immer prägnante und ansprechende Titel und das ist mir für diese Episode sehr leicht gefallen, denn wie schon gesagt, die Grundlage für diese Episode war ein Blogbeitrag von Stephanie und da hat mir der Titel auf Anhieb gefallen. Hallo Stephanie, Herzlich willkommen und vielen Dank für deine Zeit, habe ich bei deiner Vorstellung etwas vergessen?
Stephanie
Hallo Dierk. Ach, da gäbe es bestimmt noch so einiges. Also da ich mich ja mit Komplexität beschäftige und selber für ein sehr komplexes Wesen halte, könnten wir noch über Sport, über Haustiere, über präferierte Fußballclubs oder was auch immer sprechen. Aber ich denke für den Rahmen hier ist das völlig passend.
Dierk
Ja, gut, präferierte Fußballclubs, Preußen Münster, oder?
Stephanie
Ich bin gebürtige Dortmunderin.
Dierk
Okay gut, dann gibt es noch den anderen Borussia Club. Also dann könnten wir uns jetzt streiten, welches die wahre Borussia ist. Aber ich glaub, wir haben wichtigere Themen für heute hier. Gut Stephanie, meinen Gästen stelle ich zum Einstieg immer die Frage, was hast du gedacht als Du zum ersten Mal den Titel Business Akupunktur dieses Podcast gehört hast?
Stephanie
Ich hab mich positiv irritiert gefühlt, weil die beiden Begriffe ja erstmal vielleicht überhaupt nicht zusammen passen oder nichts miteinander zu tun haben. Also hab ich ein bisschen drüber sinniert und ich fand ihn, also ich fand ihn gut, ich fand ihn spontan gut. Gut, deshalb weil es mich auch irritiert hat, weil ich selber schon Akupunktur genossen hab und weiß, dass so kleine Nadeln durchaus ne große Wirkung haben können. Dass die kleinen Nadeln falsch gesetzt, aber auch sehr unangenehm sein können. Und dasselbe gilt ja letztendlich auch für Interventionen oder für Impulse im Business. Daher finde ich das. Also ich finde es einen gelungenen Titel, find ihn gut.
Dierk
Sehr schön ich finde es auch immer interessant, wie unterschiedliche Sichtweisen unterschiedliche Ausführungen zu dem Titel kommen, wobei sich die allermeisten wirklich auf das konzentrieren oder auf das zusammenfassen lassen, was du gerade gesagt hast. Das sind kleine Stiche, die können helfen. Aber die können auch weh tun beziehungsweise nicht helfen. Und wenn ich jetzt auch dann auf deinen Titel deines Blog Beitrags komme, Macht und Selbstausbeutung, den fand ich auch markant, den fand ich auch cool. Auch der hat mich angesprochen. Ich hab gesagt, markant, vielleicht auch ein bisschen provokant, kannst du vielleicht diesen Blogbeitrag mal kurz zusammenfassen? Bisschen einsteigen in das Thema.
Stephanie
Ich bemühe mich drum, der Blog Beitrag selber ist ja schon eine sehr zusammen gedampfte Darstellung von ganz vielen Themen, die irgendwie verschachtelt miteinander hängen. Mir gehts trotzdem drum das was ich über die letzten Dekaden immer wieder erlebt habe, ist das gerade unter dem was so New Work heißt, also was so im Alltag darunter verstanden wird, ganz viel Freiheit und Selbstbestimmung und Verantwortungsmöglichkeit versprochen und verteilt wird. Und das hat auch ganz viel positive Auswirkungen. Ist für mich nicht negativ konnotiert. Gleichzeitig aber bringt genau diese Freiheit oder diese Räume auch ganz viel Konformität und ganz viel Kontrolle mit. Also letztendlich sind es Machtinstrumente. Also die Macht ist quasi in die Menschen verlagert und nicht mehr steht ein Aufseher, der sagt, du musst aber ein bisschen schneller arbeiten, Dierk, sondern dafür sorgt der Dierk selber, dass er immer ordentlich an der Schippe bleibt. Und diese Zusammenhänge mal zu denken, finde ich total spannend und wichtig. Und abgesehen davon ist Macht grundsätzlich ja ein schrecklich, nicht reflektiertes Thema in vielen Organisationen und in einigen sogar ein ganz klares Tabu.
Dierk
Weil sich aber ja häufig auch auf Macht aufgebaut sind. Aber es ja nicht helfen würde das zu thematisieren, weil man dann über viele Dinge sprechen würde, über die die Machthabenden nicht sprechen wollen.
Stephanie
Also ich gucke so rum drauf, dass Organisation, dass auch unsere Gesellschaft ohne Macht überhaupt nicht bestehen könnte. Also ohne Macht würde sich nichts bewegen, es gäbe also, es gäbe Stagnation wahrscheinlich ausnahmslos und ich bin mittlerweile auch weg davon, also in meinem Wording von Machthabenden und ja, wer sind denn die anderen, die Ohnmächtigen zu sprechen, sondern eher von Mächten als Dynamiken, die zwischen uns Menschen wirken und zu gucken. Aber was wirkt denn? Wie und wozu bewegt uns das denn?
Dierk
Ja, finde ich sehr interessant, meine wir sind ja erst am Anfang und jetzt tauchen wir schon richtig tief ab. Also vielleicht noch mal sozusagen wieder ein bisschen aufgetaucht, was ich interessant fand, eben bei deinen Ausführungen war genau das, was ich im Prinzip auch wahrnehme und was ich, wenn ich über agile Frameworks spreche, was ich versuche rüberzubringen, heißt, selbstorganisierte Teams, die bekommen, ja Macht sich selbst zu organisieren, also ob sie die wirklich bekommen, sei mal dahin gestellt. Können wir ja noch besprechen. Aber nehmen wir nur mal an, sie bekämen diese Macht wirklich vollumfänglich. Das heißt, dass sie bekommen auch Verantwortung, also zu der Macht kommt dann gleich die Verantwortung und dann ist es wahrscheinlich nicht weit zu dem Thema, was du Selbstausbeutung nennst, oder? Was du da entsprechend beschreibst. Also insofern bin ich mal gespannt, wenn wir tiefer einsteigen und wenn man sich dein Buch anschaut, was wir ja wie gesagt heute nicht im Detail Thema thematisieren, da kommt ein Bild von einem Menschen oder es sind mehrere. Es sind glaub ich 10 nee 9 Menschen, aber lass uns mal auf ein Thema einsteigen. „Macht“ wie bist du auf die Idee gekommen Michel Foucault Machttheorien auf die moderne Arbeitswelt zu übertragen.
Stephanie
Also, dass dieser französische Philosoph, der begleitet mich schon ganz viele Jahre, der ist in ganz vielen meiner Bücher immer mal wieder so kurz aufgetaucht, und ich bin genau über das Recherchieren und das selber durchdenken des Themas Macht zu allererst mal auf Michel Foucault gekommen. Und ich hätte den gerne mal kennengelernt, der war, glaube ich, ein ziemlich schräger Vogel und ist irgendwann in den Achtzigern an Aids gestorben und wohl auch gerne mal halb nackt mit zerschnittenem Oberkörper durch die Uni geflizt. Der hat so sehr viel auch mit seinen eigenen Dämonen zu kämpfen. Und der hat also so, so kann ich das nur ausdrücken, der hat denke ich, das Verständnis von Macht von Kopf auf die Füße oder andersrum gestellt. Also der hat gebrochen mit den vielen der tradierten althergebrachten Definitionen von Macht. Er hat sie nämlich quasi depersonalisiert. Und ich, also ich selber, finde seine Gedanken und seine Werke, auch wenn sie nicht immer einfach zu lesen sind, einfach total spannend, das zu denken und dann mal zu gucken, was seine Beobachtung, die er über die Dekaden ging, also der hat ja die öffentlichen Diskurse seziert, sozusagen die gesellschaftlichen, und was, was diese Diskurse oder diese Diskursanalysen, die er geMacht hat für uns heute eigentlich bedeuten können, und das ist dann der Übertrag, den ich mache und wo ich einfach mal frage, so sagt mal eure Agil New Work Tools und Werkzeuge und Mechanismen. Was glaubt ihr eigentlich, was die auch noch bewirken abseits von dem was ihr ihnen zuschreibt? Und deshalb finde ich Michel Foucault, der hat keinen, also, der gibt keine Fahrpläne vor, oder der hat keine Rezepte. Und was ich an ihm und seine Arbeit eben auch sehr schätze ist, er sagt ganz klar alles, was ich jemals gearbeitet hab oder geschrieben hab, betrachtet das wie ein Werkzeugkoffer, nehmt raus was ihr zu brauchen glaubt und Macht damit was immer ihr wollt und genau das tue ich.
Dierk
Das ist interessant, dass du ihn gerne mal kennengelernt hättest, kann ich jetzt im Prinzip nachvollziehen, weil mir war die Freude vergönnt, den Frederic Laloux mal kennenzulernen oder mal zu erleben. Vor vielen Jahren gab es von Xing also damals hat Xing noch was bewirkt oder was getan, gab es von XING mal so ein ein Event in der Elphi und da war Frederic Laloux als Gastredner da. Der hat echt, weil es einfach schön so jemand mal zu sehen, der sozusagen tolle Werke schreibt, tolle Gedanken hat und der einfach mal sozusagen als Mensch zu erleben, weil als Mensch war ja total, sag ich mal zurückhaltend, also man hätte schon fast sagen können, bisschen unsicher, also unsicher, würden vielleicht die sagen, die erwarten, dass da jemand sozusagen auf die auf die Pauke haut, aber da war einfach richtig super und der Raum war proppenvoll und zum Glück hatte ich morgens bei der Anmeldung für dieses. Event das gesehen, weil diese Session mit ihm die war. Innerhalb von paar Sekunden sag ich mal ausverkauft, also glaub. Super interessant, solche Menschen wirklich mal als Menschen zu sehen. Du hast eben gesagt, er hat über mehrere Dekaden die Diskurse seziert für mich ist bei so etwas immer auch wichtig, in welchem Kulturraum bewegen wir uns. Das Thema Macht, ich würde es mal so behaupten oder so darstellen aus meiner Sicht, das darfst du gerne noch mal korrigieren, das Thema Macht hat in einem europäischen Raum eine andere Bedeutung als im amerikanischen und auch vielleicht im Japanischen. Wenn ich auf dieses Thema Lean Management und Scrum und Akkreditität zu sprechen komme. Also die Frage ist, hat er seine Sezierung, ich sag mal auf Frankreich vielleicht nur bezogen, oder hat er sie auf die ganze Welt bezogen?
Stephanie
Also es, er war schon sehr Frankreich lastig. Ich würde aber mal behaupten er hat europäisch gearbeitet, also ganz klar europäischer Kultur. Naturraum. Und letztendlich sind wir damit ja auch bei einer der ersten Gretchenfragen vielleicht ne, nämlich welche Bedeutung geben wir denn dem Begriff der Macht? Was, was ist denn deine Bedeutung von Macht? Ist es für dich?
Dierk
Ja, also ich antworte da gleich auf die Frage, aber ich hab gerade auch noch mal gedacht, OK interessant, also europäisch. Ist, weil ich schon glaube, dass man, wenn man über und das tun wir ja auch noch, wenn wir über New Work sprechen und über Agilität und also all solche Themen, wir immer wieder beachten müssen, wo kommen denn die Ideen her? Und diese Ideen oder diese Ansätze, die können ja letzten Endes, wenn man es so will, ja nur funktionieren, wenn die Grundlagen gleich sind. Also zum Beispiel jetzt auf deine Frage komme, was bedeutet denn Macht für mich? Wenn ich Macht höre, dann habe ich zuerst eine negative Assoziation. Also Macht haben, ich stimme dir zu, wenn wir keine Macht hätten in unserem Kulturkreis, dann würde vieles oder nichts funktionieren, aber trotzdem hat für mich Macht eine erstmal eine negative Konnotation und dann ist die Frage wofür setz ich Macht ein. Wenn ich also auf der anderen Seite sage, ich gebe Menschen Macht im Sinne von Selbstorganisation, dann hat es für mich einen guten Beigeschmack quasi, also insofern um vielleicht noch mal kurz zu fassen, Macht hat für mich einen negativen Beigeschmack, weil ich eben wahrscheinlich so auch über meine Jahre hinweg immer wieder gelernt habe, welche negativen Folgen falsch platzierte, falsch ausgeübte Macht hat. Und wahrscheinlich habe ich damit schlechte Erfahrungen gemacht mit Macht, die nicht in meinem Sinne genutzt wird. Und wir sehen es ja auch gerade, also aktuell, was aktuell auf der Welt so passiert und nicht nur aktuell die letzten Jahre, Jahrzehnte, also das ist etwas, was mich bei dem Begriff Macht anspricht.
Stephanie
Mhm, also ich erlebe das in Organisationen auch, dass der Begriff quasi durchweg negativ konnotiert ist, dass die Menschen bevorzugen lieber nicht über Macht zu sprechen. Also das ist sofort so ne Stille im Raum, so uha, müssen wir vielleicht gleich sagen, hier ist irgendwer mächtiger und da wer sind dann die anderen? Die Frage taucht ja auch immer auf. Ne, sind das alles Ohnmächtige? Und deswegen finde ich es so schwierig, wenn dieser Begriff so personalisiert wird. Also auch wenn wir jetzt in die aktuelle Weltgeschehnisse gucken und Donald Trump, der das ja nun gerade ein Paradebeispiel der wird ja für alles und nichts hergenommen, was wir von ihm lernen können und könnten und sagt, das ist ein sehr mächtiger Mann, ja, der kann Struktur verändern, aber wir sehen gleichzeitig auch, dass teilweise nichts nützt, weil das Systeme sind in der Welt und nicht und nicht Einzelpersonen, die auf Einzelpersonen. Also ich, ich bin da auch immer so ein bisschen hin und hergerissen, Macht als möglichst depersonalisierte Dynamik zu verstehen, weil wir sonst also, glaube ich, viel schwerer eine stressfreie Denke und ein stressfreies Gespräch über Macht, in Organisationen hinkriegen, wenn wir immer sofort denken, ah, aber da ist doch dieser eine Chef, der Dierk, der benutzt immer seine Macht, um irgendwie. Und dann haben wir sofort dieses oben und unten, und das in keiner guten Konnotation.
Dierk
Ja, ja, ich glaub wir sprechen gleich noch mal über das Thema entpersonalisierte Macht, du hast ja diesen Begriff jetzt schon zweimal benutzt. Ich würde erst noch mal auf das andere, auf 2 andere Begriffe eingehen, nämlich erstens das Thema Führung. Führung hat ja auch was mit Macht zu tun, weil die Menschen mit Macht sind Führungskräfte. Das hat für mich aber einen positiven Beigeschmack, weil ich glaube, dass wenn man sich zum Beispiel Agilität anschaut, wir, und das mache ich einfach so, immer klar zu. Wir haben auch Führungskräfte, moderne Führungskräfte, die brauchen diese Macht aus ihrer Funktion heraus nicht. Sie sind mächtig aus Ihrer Person heraus, also sie führen, Sie führen nicht, weil sie Führungskraft sind, quasi per Organigramm, sondern weil sie anerkannt werden, als das vielleicht so als erster Punkt dazu. Und dann zweitens, wenn man Macht kleinschreibt also wir machen etwas, dann finde ich es wiederum total positiv. Ja, also ein Macher zu sein. Ist wiederum vielleicht n bisschen negativ, weil es auch Menschen gibt, die eben Macher sind, die machen und kümmern sich nicht um andere, aber insofern ja, vielleicht hab ich jetzt ganz viel Wortklauberei betrieben, aber ich glaub es ist ganz hilfreich für uns jetzt hier. Hoffe ihr habt ja auch jetzt auch nicht zu viel Information gegeben, dass du gut antworten kannst.
Stephanie
Also ich diese Wortklauberei finde ich auch mehr als notwendig. Also eigentlich können wir überhaupt erst anfangen, in einen Diskurs zum Beispiel über Macht einzusteigen, wenn wir sagen, OK, wir haben hoffentlich ungefähr ne ähnliche Bedeutung davon in unserem Kopf, oder wir haben uns drauf geeinigt. Haben verschiedene Bedeutungen und können damit aber gut umgehen. Deswegen halte ich das für extrem wichtig, was bedeutet Macht in Organisationen und ist das immer an die Vorstellung von einzelnen Menschen, also auch von Führungskräften gebunden? Weil die haben ja erst mal, also ein ein Teil ist ihre formale Macht oder das, was man die formale Führung nennt. Heißt, Sie können ja, was können Sie denn, wenn man mal unterm Strich, dann können Sie Mitarbeiterjahresgespräche führen. Sie können bestimmte Budgets freigeben, sie können Urlaubsanträge unterschreiben, und sie können also ich bin nicht mal so n bisschen fies bin, würd ich sagen, ja, die können Menschen verwalten.
Ich persönlich hab eben auch keinen Blick auf das Führen von Menschen. Ich glaube nicht daran, dass Führungskräfte Menschen führen, weil ich auch gar nicht daran glaube, dass die geführt werden müssen, sondern Führungskräfte, und dafür ist ihre Macht, die formale, verdammt gut, können den Rahmen schaffen, in dem die Menschen bestmöglich wertschöpfend arbeiten können.
Das vermischt aber glaub ich auch in unseren Organisationen auch zum Thema Macht so n paar Dinge, nämlich ja wen oder was führen dann? Und ich weiß nicht, wie es wie es dir geht, ich hör eben, wenn ich fragen gehe, ganz oft nachher. Führungskräfte führen Menschen, wo ich persönlich denke, um Gottes willen, nein, warum sollten?
Dierk
Warum sollten Sie ja und also ich glaub schon, meine Erfahrung ist, dass es ne ganze Reihe von Menschen gibt, die wollen geführt werden. Also jetzt, das würde ich jetzt mal so ausdrücken, weil sie eben nicht die Kraft haben, die Motivation haben, auch vielleicht nicht die Erfahrung oder die Bildung sozusagen sich selber zu führen. Die Frage ist aber, wie würde man sie denn da hinbekommen, dass sie sich vielleicht doch. Das ist ja schon vielleicht nur ein bisschen, ja, sag mal im Blick auch, vielleicht in den in andere Themen, die wir nachher noch haben. Also Menschen würde ich sagen schlussendlich. Die ein bisschen gebildet sind, ja, ein bisschen Motivation haben die, die vieles von dem haben, was wir beide ja sozusagen mal zuhauf. Wir haben viel Freiheit, wir wollen ja selbstbestimmt arbeiten, also Menschen, die das nicht haben, die kann man dahin bringen, und dann wollen sie auch nicht geführt werden in dem Sinne, an der kurzen Leine, dann würde ich da dem zustimmen, was du gesagt hast. Vielleicht ein bisschen mehr. Setzen also eine, also einen breiteren Rahmen setzen und immer wieder gucken, ist derjenige, den ich da führe, mit meinen Leitplanken, meinem Rahmen ist der noch im Rahmen und kann er sich im Rahmen dieses Rahmens selbst bewegen? Vorwärts bewegen.
Stephanie
Ja, und ich, also ich ganz persönlich, finde an der Stelle das Wort Führung dann einfach irgendwie. Also wahrscheinlich ist es genau das richtige Wort, aber weil das so oft so sehr an Menschenführung gebappt ist, finde ich das schwierig. Also auch Menschen die sagen ich möchte irgendwie, ich möchte enge Leitplanken oder ich möchte ganz nah im Gespräch bleiben und ganz nah in den Rückkopplungen bleiben und ganz nah auch irgendwie bei der Aufgabenerfüllung irgendwie, ich nenne es jetzt mal, begleitet werden, ist das ja, also das kann ich alles tun, aber der Mensch führt sich am Ende des Tages immer noch. Also das ist jetzt vielleicht schon doch Wortklauberei, aber ich hacke da deshalb so drauf rum, weil ich manchmal so ein Führungsverständnis von ich bin hier für alle Menschen zuständig erlebe, und das finde ich nicht gesund, weder für die Führungskräfte noch für die Mitarbeitenden. Und was zu dem Thema eben auch mal eine interessante Perspektive ist, das Führen ja nur sein kann, wenn du Menschen hast, die dir folgen.
Letztendlich entscheiden die die Folgen, wer die Führungskraft ist. Also abgesehen vom formalen und das ist eben auch ein Aspekt, der gerne mal übersehen wird.
Dierk
Ja, also ich glaube, bevor wir da jetzt zu lange drüber sprechen, wir gleiten ja so ein bisschen ab, wenn das in deinem Sinne ist, erspare ich den Hörenden und dir auch so Beispiele zu dem Thema eng führen, also lass uns mal auf das Thema entpersonalisierte Macht kommen auf diesen Begriff, den hattest du vorhin schon zweimal benutzt, was ist „entpersonalisierte Macht“.
Stephanie
Ja, ich versuch auch das mal irgendwie kurz und knapp greifbar zu machen. Und dazu beschreibe ich mal auch sehr platt und sehr plakativ einen der Diskurse, den der Michel Foucault analysiert hat, und das war so der Übergang von wir stellen unsere Verbrecher immer noch auf dem Marktplatz aus, dort werden sie bestialisch hingerichtet und damit wissen alle, was hier Recht und Ordnung ist und wie man sich zu verhalten hat. Und es gab ja eine Übergangszeit, also irgendwann waren es einfach zu viele Menschen, das konnte man so nicht mehr, also da konnte man so keine Ordnung mehr halten in der Gesellschaft und der Mob, der bis dato ja diese lustigen Vierteilungen auf dem Marktplatz vielleicht unterhaltsam fand, war irgendwann, hatte der Mob genug davon, hat gesagt, wir wollen das nicht mehr ertragen, und wir wollen auch gar nicht mehr, dass unser Regent, unser Herrscher, derjenige ist, der alleinig entscheidet, wer seinen Kopf verliert und wer ihn behalten darf. Und so war die Gesellschaft eben unter Druck, einen anderen Mechanismus zu finden. Und das war quasi die Geburtsstunde der Gefängnisse. Also, das war die Idee, wir, also der Deckmantel war Humanismus, wir wollen jetzt einfach mal ein bisschen netter sein. Der Dierk wird nicht mehr geviertelt, von Pferden auseinandergerissen und dann geköpft, sondern wir sperren ihn weg und wir sperren ihn am besten auch nicht einfach nur weg, weil wir möchten seine Produktivkraft für die Gesellschaft möglichst schnell wieder nutzbar machen. Deswegen sehen wir zu, dass der Dierk im Gefängnis möglichst was Sinnvolles zu tun kriegt. Aber wir wollen ihn auch unter Kontrolle behalten und wir müssen den Dierk wieder auf auf Normalmaß, also auf Gesellschaftskonformität bringen, damit er für die Gesellschaft wieder produktives Mitglied sein kann und irgendwie keine Ahnung auf dem Markt keinen Blumenkohl mehr klaut oder was immer du angestellt hast. Das heißt, der Diskurs hat sich verschoben und dadurch sind Gefängnisse entstanden. Und damit ist ja ein ganz anderes Prinzip von wie setzen wir Recht und Ordnung um, sind komplett neue Berufsgruppen entstanden. Also dann braucht man Gerichte. Brauchte man Anwälte. Dann brauchte man Schließer im Knast. Dann brauchte man, keine Ahnung, irgendwann Therapeuten und Psychologen und Entwickler in Gefängnissen. Also da hängt ja ein gigantomanischer Rattenschwanz dran und das heißt das also ganz platt formuliert das, was der Regent vorher an Macht ausgeübt hat, nämlich zu sagen, diesen Sonntag 12:00 Uhr, Kopf ab auf dem Marktplatz, hat sich verschoben in eine Macht, die nicht mehr von einer Person ausgeübt wird, sondern wo du in den Gesetzen liest, was dir blüht, wenn du ein Blumenkohl klaust und wo so ein ganzer Apparat arbeitet, um das umzusetzen. Und damit ist sie entpersonalisiert.
Dierk
Jetzt hab ich verstanden, was du mit entpersonalisiert meinst. Finde ich ein sehr interessantes Beispiel und da kann ich mir auch jetzt sehr gut vorstellen, dass die Macht dann eben quasi von einzelnen Personen eben entnommen wird oder weggenommen wird auf ein System und dieses System sorgt eben dafür, dass Recht und Ordnung durchgeführt wird. Jetzt gucken wir mal so ein bisschen auf das Thema Unternehmen, auf das Thema Agilität. Das hattest du ja vorhin auch schon mal angedeutet. Wir haben ja auch keinen Geschichts-Podcast, wir haben ja einen Business-Podcast hier, also du hast auch gesagt, hast auch schon viele Jahre Erfahrung aus Unternehmen. Und wir haben das Thema nicht nur Macht, sondern auch, also lass uns mal so n bisschen einschränken, das Thema agile Methoden, Selbstausbeutung, Selbstkontrolle, was du vorhin schon gesagt hast, gibt es ein paar Situationen wo du das erlebt hast die du uns mal so ein bisschen schildern kannst, weil sie eben auch bei dir zu einer Veränderung in der Denkweise vielleicht auch geführt haben.
Stephanie
Also ich erlebe das immer wieder in Teams, die sich auch meinetwegen agil nennen oder nach agilen Methoden, Instrumenten und Strukturen arbeiten, die sich selber, also als Team, sich selbst als Menschen, so stark einbinden auf unseren Kanban Board steht alles also es ist vollständig transparent, was wer wann wie tut, wir sind permanent online über Microsoft Teams oder was auch immer wir gerade benutzen. Daran ist auch verknüpft, dass wir von uns selbst erwarten, eine Antwortzeit von 3 Millisekunden zu haben, wenn irgendjemand hier die Hand hebt. Damit ist auch erwartet, wir haben ja keinen Vorarbeiter mehr, der uns das Arbeitspaket auf den Tisch legt. Das entscheiden wir ja selbst. Was natürlich auch nicht stimmt, weil wir haben immer noch Stakeholder, die sagen, hier muss aber was fertig werden, wie ihrs macht, das entscheidet ihr selbst, ihr seid ja agil, aber macht es. Das heißt, der Leistungsdruck von außen ist damit nicht geringer geworden, eher im Gegenteil, und damit gibt es auch keine Ideen mehr für Lösungen, sondern das muss das Team irgendwie selber schaffen. Und gleichzeitig damit, und das ist nur meine persönliche Beobachtung, ist es in diesem oder in vielen der sehr autonom agilen Teams, in dem Übergang von Führungskraft, ist da ziemlich nah dran zu nennen wir es selbst organisiert oder autonom, vergessen worden, bestimmte Mechanismen zu klären oder zu üben, also mit Konflikten umzugehen, aus der Gleichmacherei rauszukommen.
Und wenn man all das mal zusammenrechnet, dann ist das eine unfassbare Anforderung an die eigenen Menschen. Also die führen sich als Team irgendwie selbst halbwegs, sind immer noch eingebunden in tradierte Strukturen der übergeordneten Organisation und haben einen unfassbar hohen Anspruch auf sich selbst übertragen, den sie aber nicht geübt haben. Und wofür sie vielleicht auch gar keine Mechanismen entwickelt haben. Und so, also das sind so ein paar Beispiele, wie ich sie oft erlebe, dann sitzen da eben Menschen in solchen Teams, die schon regelmäßig stöhnen und ächzen, weil sie sagen, es müsste echt mal knallen bei uns, wir müssten mal ein bisschen was bereinigen, wir müssten mal wirklich aufräumen, aber es macht keiner, weil uns ja auch Harmonie so wichtig ist.
Also zum Beispiel und so gehen die Menschen dann am Ende doch viel mehr in die Selbstausbeutung also machen doch noch n bisschen mehr und doch noch n bisschen mehr und weil man die anderen nicht hängen lassen kann machen sie dann doch noch ein bisschen mehr und dann wird aus dieser Freiheit ihr seid selbstbestimmt und autonom und ihr könnt eure Strukturen selber wählen und eure Techniken und Tools wird aus der Freiheit nämlich Selbstausbeutung und Ich glaube dass das sehr schleichend ist und dass das für die die drin stecken in diesem Hamsterrad ganz schwer ist zu erkennen. Zur Laufzeit.
Dierk
Ja, schwer zu erkennen. Und es werden dann nach meiner Erfahrung dann oftmals auch die falschen Schlüsse gezogen, nämlich dass dieses System Scrum Agility schlecht ist. Aber ich würde, wenn ich jetzt sozusagen vielleicht mal so ein bisschen die Fahne hochhalte, für Agilität. Ich würde sagen, da haben wir überall eine Antwort drauf. Aus der Sicht der Agilität, aber diese Antworten, die werden in der Praxis ähnlich umgesetzt, also zum Beispiel ein Scrum Master, der nur die Aufgabe hat für das zu sorgen, was du gerade gesagt hast. Also Konfliktfähigkeit her zu zustellen. Probleme anzusprechen, erstmal Probleme zu erkennen, im Team anzusprechen und sie zu lösen. Also vieles von dem, was du gesagt hast, würde meiner Meinung nach oder nach meinem Wissensstand, nach meiner Erfahrung ein Scrum Master tun müssen. Jetzt kommt das aber: Wie du auch gerade gesagt hast, es gibt nicht so häufig Scrum Master. Wenn, dann sind es ganz oder aus meiner Beobachtung häufig junge Menschen, die fehlende Berufserfahrung haben, Lebenserfahrung also du kannst das, was ein guter Scrum Master wissen muss, nicht in 2-3 Tagen Schulung lernen. Kannst es auch nicht in einer Woche Schulung. Du musst das über einen ganz langen Zeitraum lernen, erlernen, auch mit, vielleicht auch mal mit ein paar negativen Erfahrungen. Also kurzum, das was du gesagt hast als Problem, als Herausforderung, da würde ich dir zustimmen, weil eben auch vieles, von dem gerade auch im Unternehmen umgesetzt wird, wie das Stichwort Scrum Master oder wie gehe ich damit um, wenn von draußen, von den Geldgebern, von den Kunden trotzdem noch zugesagt wird. Welche Termine eingehalten werden. Also wenn ich mich selbst organisiere, dann dürfen von draußen keine Termine kommen und das ist auch eben ein Punkt, müsste ein Scrum Master dafür sorgen? Da sind eben häufig die Hände gebunden, wenn er es überhaupt versteht. Er hat mindestens, jetzt kommen wir wieder auf das Thema Macht, dass quasi auszusetzen. Also zu sagen, wir sind selbstorganisiert, wir bestimmen die Termine hier, ihr da draußen, dürft keine Erwartungen formulieren.
Stephanie
Ja, und ich seh ja auch nur ein mini Ausschnitt der Welt, aber in dem Mini Ausschnitt das was ich über die letzten Jahre beobachtet hab ist das das als Konstrukt nicht stattfindet, also weil einfach agil. Auch das ist ja erstmal ein Containerbegriff ne, also da hat ja jeder irgendeine Vorstellung von was das denn heißt, wenn wir agil arbeiten. Auch das wär ja erstmal zu klären und dann eben auch die, die die Rollen vergeben und wenn ich über autonom agierende Teams nachdenke, dann braucht es vielleicht gar nicht mal so ne explizite Rolle eines Scrum Masters, aber es braucht die Fähigkeiten und die Kompetenzen in dem Team.
Das kann verteilt sein. Das kann sein, dass alle alles können, ja, auch das ist eher blauäugig, aber gilt als gedankliches Konstrukt. Und deswegen ist es mir am Ende des Tages egal, ob das eine explizite Rolle ist (das arbeitsteilig anzulegen finde ich gar nicht immer nur gut) oder ob das irgendwie im Team vorhanden ist. Aber es sollte vorhanden sein und darüber oder da drunter liegt für mich einer der allergrößten Knackpunkte in den Organisationen und da ist es wieder egal ob es Führung ist oder ob es Konfliktfähigkeit ist, dass zu wenig reflektiert wird, dass Reflektion zu wenig geübt wird.
Dierk
Ja, also da würde ich dir nicht nur zu 100% zustimmen, sondern zu 200%. Denn wenn ich, ich bin ja in ganz vielen verschiedenen Frameworks unterwegs. Also ich schule ja Scrum, aber auch vielleicht eher klassische Frameworks und ich versuche immer wieder dahin zu kommen, dass die Leute verstehen, dass es um kontinuierliche Verbesserung geht, und das ist ja quasi der Oberbegriff für mich, bei allem dem, was ich tue, dass ich immer versuche besser zu werden, und zwar in kleinen Schritten. Also nicht zu sagen, wir führen jetzt Scrum ein und ab morgen seid ihr alle agil. Stimme dir zu, was heißt das? Jeder kann alles und was weiß ich auch alles. Also auch das klären wir jetzt nicht. Es war wichtig, aber insofern zu sagen, führen uns selbst. Und das braucht eben auch gewisse Voraussetzungen und das führt eben, wie ich finde, uns an einen ganz wichtigen Punkt, Selbstorganisation zu nutzen, um zu reflektieren und kontinuierliche Verbesserung umzusetzen.
Stephanie
Ja, und dabei aber auch klar zu haben. Warum tun wir das? Wozu zum Henker sollten wir uns kontinuierlich verbessern? Also wofür also welches extern referenzierte Problem löst das? Also wir können auch das ja zum Selbstzweck betreiben. Da weiß ich, dass du da auch sagst, das ist natürlich schwachsinnig, das zum Selbstzweck zu machen.
Und ich finde aber auch, wenn wir jetzt schon bei den agilen Tools und Methoden sind, noch mal Hinzugucken hinsichtlich dieser Macht oder Machtinstrumentfragestellung, was von den Dingen die wir nutzen, dient unserer eigenen Kontrolle. Also was ist ein Mechanismus, mit dem wir uns selbst kontrollieren und welche Tools und Methoden dienen der Konformität? Weil beides, also wir brauchen beides und diese Machtinstrumente sind ja auch nicht nur negativ, die machen uns sehr produktiv, gar keine Frage, und trotzdem läuft es am Ende auf Konformität und auf Kontrolle hinaus und ich finde das zu reflektieren wichtig, um nicht in so ein Ausbeutungsmechanismus zu rennen, uns vielleicht gar nicht mitzukriegen.
Ja, also auch gerade bei den Agilisten. Ich weiß nicht, wie du es erlebst, aber in der agilen Bubble, so Agilisten, die sagen es ist überhaupt die einzig seligmachende Idee der Welt. Alle müssen agil arbeiten, wo ich denke wow, was für ein Wahrheitsanspruch und wie stark die sich einem solchen Diskurs wider werfen und dann sind sie eben nicht mehr selber gestaltend und aktiv sondern rennen einem Diskurs hinterher so, da für schließt sich für mich da der Kreis auch zu Michel Foucault, der sagt reflektiert doch mal vielleicht welchen Diskursen ihr euch unterwerft weil das kriegen wir nicht mehr bewusst mit sondern dann rennen wir im Hamsterrad und sagen es läuft genau so muss das sein.
Dierk
Also auch das würde mindestens eine Folge füllen können, wenn wir darüber sprechen. Ich selber bezeichne mich nicht als, du hast diesen Begriff eben benutzt, und weil für mich klingt der genauso, ich renne da irgendetwas hinterher, ohne es zu reflektieren und ich reflektiere das sehr, sehr wohl und würde jetzt vielleicht noch das aufgreifen, was du eben so ein paar mal angedeutet hast. Du hast ja von Macht gesprochen, von Machttechniken, von Machtinstrumenten und du hast gesagt, dass das manchmal oder auch häufiger quasi gar nicht offen ausgesprochen wird also man sagt, wir humanisieren die Arbeit, also Stichwort New Work. Auch da müssen wir wahrscheinlich vielleicht kurz drauf eingehen, was New Work wirklich bedeutet. Ich glaub es bedeutet nicht das, was der Namensgeber gesagt hat, also auch da noch mal. Wir haben Machtinstrumente, die werden nicht offen. Sie werden unter dem Deckmantel der Humanisierung der Arbeit sozusagen angewendet und du warst da mit Führungskräfte-Workshops. Was sagen Führungskräfte, wenn du sie damit ja auch im Prinzip ein bisschen angreift? Entziehst ihnen dann ja eine gewisse Grundlage.
Stephanie
Zumindest irritiere ich sie oder ich störe sie in ihrem Etablierten. Das ist natürlich auch mein erklärter Auftrag, keine Frage. Und ich ernte ganz oft erst mal offene Münder, weil New Work und Humanismus oder humanisierte Arbeitswelt, das bringt noch irgendwie fast jeder zusammen, weil unter New Work verstehen wir all die tollen Methoden und Techniken, um den Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und zu gucken, dass es ihnen gut geht und dass sie Ihre Werte leben können oder was auch immer ganz global galaktisch damit verbunden wird. Und der Begriff Macht scheint da irgendwie sehr weit weg zu sein. So wenn ich das aber mal zusammenlege und ich kreiere jetzt mal ein Beispiel, was gar nicht so fern ist. Wir sagen, vielleicht beziehen wir uns auch noch auf Fridtjof Bergmann und sagen, da geht’s ja, tue das, was du wirklich, wirklich, tun willst. Also davor steht in vielen Unternehmen erstmal finde deinen Purpose, also wir finden noch unseren gemeinsam, aber finde doch erstmal bitte deinen Purpose und auch das ist schon eine sehr normative Forderung. Weil dann gibt es Menschen, die sagen, ich hab hier bei der Arbeit keinen Purpose, ich will auch keinen, ich gehe hin, weil ich Geld verdienen will, damit will ich meine Familie finanzieren und gut ist. Das passt nicht zu der Forderung, finde dein Purpose und dann wird das eben sehr. Also das ist so das, was Michel Foucault das pastorale Macht nennen würde.
Das ist so der Hirte, der Gutes will und seinen Schäfchen sagt: Also ihr müsst euren Purpose finden und wenn ihr euren Purpose gefunden habt, dann seid ihr super toll und glücklich. Aber das ist ne total normative Forderung und die liefert ja mit. Wenn du deinen Purpose nicht findest oder nicht finden willst. Da stimmt ja was mit dir nicht, weil wir wollen ja nur Gutes, das ist ja die humanisierte Arbeitswelt und deswegen sind die Mechanismen, glaub ich auch so schwierig von innen zu betrachten. Also wenn ich selber drin stecke, weil da braucht man schon mal n bisschen Abstand um zu sagen, lass doch ab und zu mal einfach die Leute in Ruhe und lass sie doch aus 1000 verschiedenen Gründen arbeiten gehen und wenn die nur sagen, ich will verdienen, mehr will ich hier nicht. Na gut, ja.
Dierk
Da würde ich auf jeden Fall zustimmen und das ist, das führt ja häufig dann auch eben zu einer auch Abneigung oder Ablehnung, dass man eben einfach nur sagt, ich hab noch nicht mal die Wahl, also das, was du gesagt hast, ich gehe jetzt zur Arbeit, um Geld zu verdienen für meine Familie, das ist ja manchmal wirklich ein ganz persönlicher Druck. Heißt, die haben gar nicht die Wahl, was anderes zu machen. Das ist vielleicht auch die letzte Chance, dieser Job, weil der, weil man einfach hinkommt, wie auch immer, also das ist ja auch da schon an vielen Stellen wirklich ein persönliches Schicksal. Und das ist eben wichtig, dass man das akzeptiert.
Stephanie
Ja, das finde ich eben auch. Also dass man, dass wir auch nicht, und dann sind wir wieder bei der Konformität, dass wir dann nicht aus Versehen anfangen, alle Menschen wieder gleich machen zu wollen, die müssen alle gleich begeistert bei der Arbeit sein, die müssen alle gleich Purposefull bei der Arbeit sein. Und manchmal in meinen, wenn ich so in meinem Kämmerlein vor mich hin denke, denk ich mal, OK, das ist aber auch so ein Luxusproblem aus der Denkarbeiterwelt oder? Also sobald ich in die Blaumann Bereiche komme, die haben diese Themen nicht so die haben auch diese ganzen ach Gott schon wieder n Change und nee ich glaub ich geh mal auf Widerstand, die nicht, die sagen ein Change ok weiß ich nicht ob ich den gut finde ist mir auch Wurst, ich frag mich wie das umsetze Punkt also da ist es viel pragmatischer und deswegen, wo ich manchmal so n bisschen hadere mit dieser ganzen durchdachten, ja durchgestylten Businesswelt, die dann irgendwie so n bisschen Substanz zu verlieren scheint.
Dierk
Ja, und also auch da vielleicht noch mal abschließend aus meiner Sicht. Du hast es mit dem Blaumann gesagt, die Leute fragen sich dann eben, was bringt das für mich. Ja, es bringt erstmal Veränderung und da geht es ja allein schon los. Ich persönlich mag Veränderung. Aber ich kann sie ja für mich selber steuern. Und ich lebe ja in meinem Beruf davon, dass andere sich verändern wollen beziehungsweise müssen, also Unternehmen wollen. Das heißt, ich lebe davon, dass wir über Veränderungen sprechen. Aber ich kann absolut verstehen, wenn viele Menschen keine Veränderung wollen. Das ist auch für mich eine absolut natürliche menschliche Eigenschaft, weil das kostet Energie und die wollen wir ja sparen, die können wir besser für was anderes setzen.
Stephanie
Ja und ich, ich bevorzuge da irgendwie noch mal anders oder ich find gerade nicht das richtige Wort, differenzierter drauf zu gucken, also ich ganz persönlich bin ja ich mach ja auch immer wieder was Neues und geh mal noch mal woanders hin, würde auch sagen ich bin sehr veränderungsaffin, aber was ich nicht mag ist verändert werden.
Es kam Corona und auch ich habe gesagt. Sch… Ich will das nicht, geh weg damit, lass das ich will das nich geh weg damit und war total entsetzt und bockig weil mich das verändert hat, ohne dass ich noch natürlich hatte ich gestaltende Momente, aber der erste Moment zumindest war schon ein Schock und ich glaube, dass auch da in Organisationen, aber dann würden wir jetzt abbiegen aufs Thema Change. Das wollen wir heute auch nicht machen. Wobei das auch viel mit Macht zu tun hat, dass da auch irgendwie manche Gedanken vielleicht mal neu sortiert werden dürften, weil ich glaube, dass die Veränderungen in Organisationen, die ganz oft für die Menschen überhaupt nicht Leben oder Tod bedeuten oder ab morgen ist meine ganze Welt auf den Kopf gestellt. Sondern die Veränderung von Arbeitsprozessen und die Veränderung von verabreden, dann erlebe ich gar nicht so viel Widerstand. Also wenn, dann erlebe ich ihn mehr auf der Führungsebene, weil die Angst kriegen, was sie morgen auf ihre Visitenkarte schreiben, dass da vielleicht nicht mehr Head off drauf steht und sich denken, Mist, dann muss ich meinem Nachbarn erklären, wieviel Macht ich jetzt vielleicht verloren habe so. Und auch da finde ich, dass da so ein paar Narrative vielleicht mal überarbeitet werden dürften.
Dierk
Sehr schön also ein richtig schönes Gespräch und ich freue mich auf unser nächstes Gespräch irgendwann über das Buch. Du hast, aber du hast natürlich in deinem Blog Beitrag auch paar andere Themen noch und insofern lass uns doch mal auf ein anderes Wort eingehen, auf einen anderen Begriff „panoptische Fabrik“, also wie sieht die heutige „panoptische Fabrik“ aus und wie unterscheidet sie sich vom historischen Vorbild?
Stephanie
Also es gab einen, ich glaube, britischen Architekten Jeremy Bentham, der hat dieses panoptische Gefängnis, das in der Tat auch in Kuba mal, also tatsächlich gebaut und benutzt wurde, entworfen, und das kann man sich ganz einfach vorstellen. Die Zellen, alle im rund angeordnet und in der Mitte ein Turm für die Wächter, von dem aus sie zu jedem Zeitpunkt in alle Zellen gucken können, aber nicht umgekehrt. Und die Idee oder der Mechanismus ist, dass, wenn wir Menschen das Gefühl haben, wir können beobachtet, also überwacht werden, dann reicht das aus. Wir müssen gar nicht wissen, dass das tatsächlich gerade stattfindet, sondern die Idee, wir können zu jedem Zeitpunkt überwacht werden. Sorgt dafür, dass wir brav das tun, was wir tun sollen. Also drillt uns auf Konformität und wenn wir mal gucken, was in unseren Organisationen, also insgesamt auch an Mechanismen etabliert ist. Also es fängt an mit Vorstellungsgesprächen, die systematisiert sind, das fängt an mit Persönlichkeitsdiagnostik. Das geht weiter mit den ganzen Microsoft Teams und Slack Geschichten, die alles transparent machen und kontrollierbar machen. Das geht damit weiter, dass unsere Aufgaben, was wir wann wo wie tun, alle irgendwie transparent sind und so haben wir ganz, ganz viel Instrumente, die für die mögliche totale Überwachung sorgen könnten und ob sie das tun, ist völlig egal.
Wir haben so viel Überwachung und Kontrollmechanismen etabliert, dass wir im höchsten Maße auf Konformität gedrillt sind. Und das ist leider auch das, was ich in Teams immer wieder beobachte, also die unglaubliche Konformität. Genau so machen wir das hier, genauso tun wir das hier genauso, sprechen wir hier genauso, geht das hier genauso, geht das hier nicht, also wenig Ausbrüche nach rechts und links, wenig, zum Teil auch Diversität in der Gedankenwelt alleine und das finde ich einfach schwierig und deswegen haben wir immer noch total panoptische Fabriken sowieso. Also da haben wir irgendwie alle Kästen auf dem Shopfloor irgendwie betitelt und da rollt was rum und es ist immer klar, was ist wo wie, wer kann wieviel Arbeit machen. Aber auch in unseren Büros ist es quasi dasselbe. Es ist einfach, ja guck dir ein Großraumbüro an, das ist das pure Panoptikum, nur eben ohne Wärter. Brauchen wir nicht mehr, das machen wir selber.
Dierk
Wobei, ab und zu muss mal eine Führungskraft durchgehen. Ja, aber dass man weiß, da ist noch jemand. Also wenn ich dich richtig verstehe, unbewusste Selbstoptimierung, unbewusste Selbstausbeutung, wenn man es vielleicht noch eben bespricht durch die Transparenz. Und insofern sind ja die Tools, die du angesprochen hast, sind ja quasi nur das Werkzeug, die das Ziel Transparenz, das erstmal eigentlich positive Ziel, Transparenz schafft, die das entsprechend umsetzen? Und wenn ich jetzt sage, positives Ziel, dann sage ich positiv aus Sicht des Unternehmens, weil diese Transparenz ja dafür sorgt, wenn ich dich richtig verstanden habe, dass ich mich selbst ausbeute, ich mich selbst optimiere.
Stephanie
Ja, ich geh einen Schritt weiter. Ich sage die sorgen nicht für Transparenz, das ist die Zwischenstufe. Sie sorgen für Kontrollmöglichkeit und auch das noch mal ist nicht rein negativ konnotiert oder zu verstehen. Das macht ja agile Teams auch super produktiv.
Aber es ist ein ziemlich guter Schritt auf dem Weg für die einzelnen, sich selber auszubeuten, weil ich muss ja selber entscheiden, wann ist, ich muss mich ja mit dem Team auseinandersetzen, wenn ich jetzt sage, so Dierk, pass auf, hast das bis hierhin schön gemacht, aber ich merke mir ist das zu viel. Ich will das jetzt anders, dann muss mit dir. Also da, da ziehen ja noch mal auch soziale Dynamiken, die wir irgendwie handeln müssen, wenn wir wirklich, wirklich autonom und selbstbestimmt miteinander arbeiten wollen. Und das ist weiterhin, ja, also ich, da wiederhole ich mich gerne, das ist nicht geübt.
Dierk
Ja, es ist interessant. Ich müsste jetzt mal zu einem Büroleiter so etwas. Ich habe vor vielen Jahren mal eine ein eine kleine Gruppe von Menschen in einem bundesdeutschen Landeskriminalamt in Richtung Scrum unterstützt und die haben eben eins gemacht. Haben ihre Zettelchen, von denen du ja auch schon gesprochen. Die haben sie mit so farbigen Pins an ihre Stellwand gepinnt, weil der Personalrat gesagt hat, es darf nicht erkennbar sein, wer woran arbeitet. Also genau. Zu sagen, ich möchte nicht, dass da jemand kontrolliert werden kann, absolut nachvollziehbar. Und die haben sich gefreut darüber, dass sie ihn überlistet haben, weil sie eben wussten, der gelbe Pin gehört, weiß ich nicht, Stefan oder so, also die haben ihren Weg gefunden, da müsste man da noch mal nachfragen, was die Erfahrungen damit jetzt sind, weil sie einfach für sich auch gesagt haben, hey, wir finden das toll, wir wollen uns selbst organisieren und wo ist dann die Grenze zur Selbstausbeutung respektive zur Kontrolle, also zu sagen, das ist aber nur der, hat aber nur 5 Stunden gearbeitet, quasi heute, wenn ich mir diese Zettelchen angucke, das wäre ja dann auch der.
Stephanie
Ja, und es endet. Und das ist vielleicht das eigentlich fatale oder schwierige. Dann, es endet ja dabei, dass du redest gar nicht mehr darüber, wieviel Zettelchen ich gemacht hab oder ich über deine, sondern ich bin hauptsächlich damit beschäftigt, mich selbst zu fragen, habe ich genug Zettelchen gemacht. Also das wird so internalisiert auf die einzelnen oder individualisiert. Dass das die Menschen zu immer mehr bringt, und das ist das eigentlich fatale. Dann gibt es auch diesen sozialen Druck, vielleicht irgendwann nicht mehr, sondern das machen wir alles selber.
Und ich finde, also ich betrachte das ja immer erst mal sehr, wie soll ich sagen, sehr emotionslos, ne, also ich lese den Foucault und denke mir ok verstehe ich. Marktplatz, vier teilen, Gefängnis, dann Kurse untersucht, die da mit rein, die mit Normalität was zu tun haben. Egal so, dann überlege ich, wie war es denn so in einer Industrialisierung, also bei Ford. Mhm super nachvollziehbar, da wurde mit der Stoppuhr gemessen, wann wie wer welchen Arbeitsschritt super arbeitsteilig klein zerlegt. Dann kam ja auch die Humanisierung der Arbeit dazu. So also die divergenten Märkte und die Komplexität der Welt, aber auch die Humanisierung der Arbeit. Und dann kann man ja sehen, dass sich die Instrumente verändert haben, den Typen mit der Stoppuhr gibt es nicht mehr.
Die Stoppuhr drücken wir alle selber, oder wir nennen das Kanban Board und irgendwie Task und Aufgaben. Aber die Arbeit muss ja trotzdem noch irgendwie organisiert und gemacht und möglichst effizient und wertschöpfend organisiert und getan werden. Werden, und deswegen ist es völlig logisch, dass die Instrumente, die wir benutzen, vielleicht immer graziler werden und immer subtiler werden. Sie müssen am Ende des Tages eigentlich denselben Zweck erfüllen. Etwas tun.
Dierk
Ja, das stimmt. Als du eben den Begriff Wertschöpfend benutzt hast, da hab ich gedacht, moment mal, wenn ich Spaß bei der Arbeit habe, also ich jetzt, Dierk Söllner, wenn ich Spaß bei der Arbeit habe, dann ist nur noch die Wertschöpfung, egal ob also vielleicht ganz egoistisch gedacht, aber das Thema Wertschöpfung kommt ja auch mit der oder seh ich jetzt gerade, kommt da mit rein, jetzt nehmen wir mal an, die Unternehmen wollen das, was du angesprochen hast, also die Selbstausbeutung abbauen, also wenn sie es wollen. Diskutieren jetzt mal nicht, ob sie es wirklich wollen, sondern wenn die wollen. Was hast du da an konkreten Tipps an konkreten Schritten um diese Selbstausbeutung zu reduzieren.
Stephanie
Also es fängt natürlich an mit der Reflektion, also auch mal zu gucken, wie organisieren wir unsere Arbeit, denn also auch wonach oder worauf richten wir uns denn aus. Was ist uns denn besonders? Was treibt uns denn, wenn das nicht die Wertschöpfung ist. Wir erbringen für unsere Kunden da draußen am Markt eine Leistung, die die tatsächlich haben wollen, dann würde ich noch mal kritischer hingucken. Also warum tun wir die Dinge, die wir tun? Für wen erbringen wir eine Leistung? Wer fragt die nach? Und dann drauf zu gucken, wie tun wir die? Welche Mechanismen und Methoden und Prozesse und Instrumente nutzen wir und zahlen die alle darauf ein? Oder sind die eben vielleicht auch mittlerweile entartet, also ohne dass das despektierlich gemeint ist. Aber Systeme verselbständigen sich nun mal, vor allen Dingen, wenn man sie alleine lässt. Und dann findet man Abteilungen, die tun gar nicht mehr das, was auf ihrer Visitenkarte steht. Sie tun das, was sie halt so tun, weil sie das schon ganz lange so tun.
Also mal einen wirklich kritischen Blick in den Spiegel zu werfen. Warum tun wir das, was wir tun und wofür zum Teufel ist das gut?
Dierk
Sehr schön. Warum ist eine gute Frage. Ist auch oft die erste Frage, die man sich quasi stellen sollte. Ist alles Unternehmen angesprochen. Wie gehst du denn in deiner Arbeit mit diesem Spannungsfeld? Ich hab ja gesagt, wir sind da beide ähnlich unterwegs, als Selbständiger, da ist das Spannungsfeld ja kann ja noch größer werden, weil man niemanden hat der auf einen aufpasst oder wenn man niemanden hat, also wie gehst du mit dieser Problematik um?
Stephanie
Das ist schon, das ist ne wirklich gute Frage, weil ich auch prädestiniert dafür bin, viel zu tun, ich arbeite gerne, ich arbeite gerne viel, das hab ich schon immer getan. Als Angestellte in der IT. So, und ich habe aber, und auch das ist im Wesentlichen ein Punkt, der für mich aus meiner Beschäftigung mit Michel Foucault rausgeplumpst ist. Ich habe irgendwann für mich erkannt, welchen Diskurs ich unterworfen bin. Und dass ich dem quasi mein Leben lang unterworfen war, bis ich es geschnallt hab. Also bis ich es reflektiert hab und das ist der Diskurs von ich darf niemals stillstehen, ich darf niemals anhalten, ich darf nie, ich muss immer noch weiter, und wenn ich angekommen bin, muss ich weiter und dann, was kommt dann und was kommt dann? Ich muss doch noch weiter und irgendwann hatte ich für mich klar, also das ist nicht irgendwie nur mein Naturell und so bin ich eben, sondern das ist ein, ja, auch familiärer sicherlich auch, aber auch ein gesellschaftlicher Diskurs, den ich mich unterworfen hab und der mich. Und wenn ich in dem Moment, wo ich klar hatte, das ist ein Diskurs, dem ich mich unterwerfe, kann ich auch entscheiden. Nö, mache ich nicht mehr.
Dierk
Also das was du gesagt hast ist bei mir ja genauso. Irgendwann muss es ja bei mir auch ein Wendepunkt gegeben haben, wo ich für mich entschieden habe, ich mache es jetzt anders, also auch da, ich habe gerne gearbeitet, ich arbeite immer noch gerne und habe auch viel gearbeitet. Gerade zum Start meiner Selbständigkeit erinnere ich mich, dass ich am ersten Mai, also am Tag der Arbeit, nicht gefeiert habe, sondern am Rechner gesessen habe und ein Blogbeitrag geschrieben. Den ganzen Tag, bis ich irgendwann für mich gesagt habe, ok, ich brauche eine vernünftige Balance zwischen Privatem und Beruflichem, und das kann man ja auch machen. Kann ja Sonntags arbeiten, wenn das sich mit dem Privaten übereinkommen lässt, mit dem privaten Kalender, sage ich mal und insofern bei mir hat, abgesehen von der Reflektion als Folge der Reflektion, hat bei mir geholfen, wirklich zu sagen, ich wahrscheinlich ein bisschen ähnlich wie bei dir. Ich habe feste Zeitfenster, wo ich sage, wenn nichts anderes, wenn nichts wirklich Wichtiges da ist, dann arbeite ich nicht, sondern mache private Dinge, also zum Beispiel freitags vielleicht zu sagen, arbeite ich nicht, es sei denn, es gibt wichtige Dinge.
Und wichtig heißt dann nicht, ja, es ist wichtig, dass die E Mail heute noch rausgeht, also das müssen wirklich wichtige Dinge sein, ne?
Stephanie
Mhm, ich hab das, also ich hab das für mich gar nicht glaub ich erst mal festgemacht an so einem ich hab ne Disbalance privat und beruflich, sondern das war bei mir das permanente Gefühl getrieben zu sein, also es war ein inneres Gefühl von ich fühle mich getrieben, wo ich irgendwann auch dachte, das ist einfach auch unangenehm, also so, ich will mich gar nicht immer getrieben werden und ich hab es für mich nicht so wie du das klingt so als hättest du es eben auch sehr gut für dich in so Art Regeln fassen können. Ich arbeite dann nicht, aber wenn was dann schon, sondern ich versuch das frei zu balancieren, was mir aber auch ganz gut gelingt, weil ich diesen Diskurs loslassen konnte.
Dierk
Ja, ja, also dieses Loslassen zum Beispiel ist eben auch so, wenn schönes Wetter da ist. Und es gibt nichts Wichtiges, kann man eben auch mal, das ist ja unsere Freiheit, sagen, so jetzt 15:00 Uhr, jetzt ist Schluss, das, was ich heute mache, kann ich auch morgen noch machen. Ne, ab aufs Fahrrad, ab mit den Hunden in Wald oder wie auch immer. Also einfach Natur und Privates dann einfach umsetzen und Privates genießen. Also es geht nicht nur um diese festen Regeln, sondern auch um das Bewusstsein, wenn ich schon die Freiheit habe, selbst meine Arbeit zu organisieren, dann sollte ich sie eben auch nicht selbst ausbeuterisch machen, sondern eben in einem immer im gefühlten Balance.
Stephanie
Und vielleicht ist das aber auch n guter Punkt auch für einige Führungskräfte, das noch mal gedanklich mitzunehmen in die Frage nach Homeoffice für meine Mitarbeitenden oder nicht?
Es gab ja neulich, vielleicht hast du es mitgekriegt auf LindeIn, so ein heiß diskutierten Post von eine Führungskraft, den Kalender, ein Bild von einem Screenshot vom Kalender. Und da hatte eine Mitarbeiterin irgendwie mittwochs morgens oder donnerstags morgens Friseurtermin eingetragen und der hat sich fürchterlich echauffiert und da ging ne riesen Diskussion drum los, ne, denn ich wo ich auch frage warum fragen wir uns denn nicht mal, dass wenn wir Selbständige sagen wir nehmen uns unsere Freiheit, die wir ja haben, wir nehmen die tatsächlich, statt uns dem Diskurs, des immer malochen zu unterwerfen. Warum sollen das nicht Angestellte genauso tun können?
Dierk
Allerdings.
Stephanie
Also wir brauchen eine andere Idee von lass uns doch Leistung verabreden statt gekaufte Zeit. Mit ja würden wir uns vielleicht ganz gut mit tun.
Dierk
Ja, Leistung oder Ergebnis also weil Leistung klingt auch so wieder so n bisschen wie kann ich messen, also Leistung im Sinne von ich leiste heute 4 Stunden Arbeit. Ich hab das nicht gesehen, aber ich glaub das da gilt wie häufig dieses Zitat es sagt mehr über den die Führungskraft aus, als über die Mitarbeiterin aus.
Stephanie
Ja, ja.
Dierk
So lass uns mal ein bisschen zum Ende kommen. Ich hab eine Frage noch die, die auch vielleicht für die Hörenden ganz hilfreich ist, nämlich wie kriegen wir das Ganze in die Sichtbarkeit? Wir haben ja von ganz vielen Machtmechanismen gesprochen. Wie kriegen wir die sichtbar gemacht? Nur wenn wir sie sichtbar machen, können wir darüber reflektieren.
Stephanie
Also wir können natürlich einfach irgendwie so zärtlich häppchenweise mal über Macht sprechen und über Instrumentarien und gucken, was haben die für ne Bedeutung für uns, was glauben wir, welche Wirkung die Instrumente, die wir nutzen, erzielen. Der Wirkung, die intendiert ist, also wohin führt das denn noch, was wir hier so tun? Ich glaube aber immer, dass es eine Notwendigkeit haben darf, also das zum Beispiel ein Unternehmen das wirklich sich mit hohen Krankenständen rumschlägt und die einfach nicht besser werden oder mit einer unfassbar hohen Mitarbeitendenunzufriedenheit oder mit einer dauernd sinkenden Produktqualität. Also das ist ein echtes ernsthaftes Problem, wo man aber auch dieses Thema mal reflexiv mit reinpackt.
Dierk
Ja ok, sehr schön. So Liebe Stephanie, das war jetzt die Episode, jetzt an meine Hörenden. Ich freue mich auf eure Kommentare, auf eure Fragen, auf euer Feedback, das könnt ihr gerne unter die Episode schreiben, ihr könnt es gerne mir als e Mail zusenden. Könnt es mir gerne bei LinkedIn schreiben, wo auch immer ihr mir ein Feedback. Gerne. Und vielleicht hab ich ja auch durch euer Feedback eine Idee für eine zukünftige Episode. Also ich weiß schon, wenn es Stephanie genauso gut gefallen hat wie mir heute, dann machen wir eine weitere Folge eben genau zu Ihrem Buch und zum Thema Keep Management. Aber jetzt erstmal, Stephanie, vielen Dank für deine Zeit und allen Hörenden. Einen schönen Feierabend wollte ich gerade sagen. Eine schöne Zeit jetzt nach der Episode.
Stephanie
Ja, ich danke dir für die Einladung für das Gespräch. Jetzt wo du gerade sagtest, die 41. müsste ich eigentlich zur nächsten wiederkommen, dass wär die 42. und Informatikerin wie ich bin, ist 42 ja weiterhin die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens.
Dierk
Ja ok, da kann ich, da könnt ich jetzt ganz nett sagen, es ist ja gut. Gute Idee. Jetzt find ich immer ganz platt und einfach 42 ist schon geplant, ich bin strukturiert, aber also auf jeden Fall und das werden wir auf jeden Fall auch falls sogar versuchen noch dieses Jahr hinzubekommen, weil ich wirklich glaube, das war mit dem, was wir jetzt hier heute besprochen haben, viele Ideen und das hoffe ich, viele Ideen in den Köpfen gesetzt haben, und ich habe ja von Feedback gesprochen, wenn ich Feedback bekomme, so allgemeiner Art, also nicht zu bestimmten Episoden, dann ist das ganz häufig ein Feedback, dass man einfach auch diesen Podcast gut findet, die Hörenden ihn gut finden. Das ist so ganz, ganz allgemein, ist das mal dieses Thema, das ist mal jenes Thema, das ist reflektiert, das sind immer sehr gute Gesprächspartner und man kann einfach so eine Episode sehr gut zuhören, wenn man sich über seine eigene Arbeit einfach Gedanken macht. Da lieferst du gute Ideen. Also vielen Dank, Stephanie.
Stephanie
Danke dir.