Unternehmen brauchen keine Organisationsentwicklung!?

Titelbild Podcast Business Akupunktur

Carolin über Kostenmanagement

Wir sind weit raus aus der Ära des Kostenmanagements. Wenn wir jetzt erfolgreich sein wollen in Zukunft, müssen wir Value Management machen, also uns darauf fokussieren, wie wir Wert erzeugen.

Carolin über Beschäftigung und Wertschöpfung

Und wenn wir uns wirklich auf den Wert ausrichten, haben wir auch viel weniger Stress, weil wir viel weniger beschäftigt sind, weil wir viel weniger Dinge machen, die eben keinen Wert stiften.

Carolin über Organisationsentwicklung

Organisationen entwickeln sich von selbst, aber es ist entscheidend, bewusst einzugreifen und gegenzusteuern, um die Entwicklung in die richtige Richtung zu lenken.

Carolin über ideale Organisationsstrukturen

Die ideale Gestaltung von einer Organisation ist immer abhängig von dem aktuellen Status, den ich habe als Organisation, von meiner Umwelt und von dem nächsten Ziel, das ich habe.

Carolin über den Blick von außen

Ich glaube, dass es jedem Unternehmen guttut, jemanden zu haben, der von außen drauf schaut und der das große Bild sehen kann.

Zusammenfassung

In dieser Episode von „Business Akupunktur“ spreche ich mit Carolin Fiechter über das Thema Organisationsentwicklung und Value Management. Carolin, als erfahrene Organisationsgestalterin, teilt ihre Einsichten über den Wandel von Kostenmanagement zu Value Management und betont, wie wichtig es ist, Organisationen gezielt zu gestalten und die Entwicklung bewusst zu steuern. Sie erklärt, dass Organisationen sich ständig weiterentwickeln und dass es keinen festen Endzustand gibt, sondern dass sie sich kontinuierlich anpassen und verändern müssen.

Ich reflektiere über meine eigene Arbeit und die Parallelen zu Carolins Ansichten, insbesondere die Bedeutung von Wertschöpfung und die Notwendigkeit, Mitarbeitende zu befähigen, Entscheidungen innerhalb festgelegter Leitplanken selbstständig zu treffen. Wir diskutieren, wie wichtig es ist, regelmäßig zu überprüfen, ob die aktuelle Organisationsstruktur noch zum Erfolg beiträgt oder ob Anpassungen erforderlich sind, um zukünftigen Erfolg zu sichern.

Abschließend sprechen wir über die Herausforderungen, die mit der Skalierung von Organisationen einhergehen, und wie wichtig es ist, ein Bewusstsein für die Notwendigkeit von Veränderungen zu entwickeln. Carolin betont, dass Organisationen sich von selbst verändern, aber dass es entscheidend ist, bewusst einzugreifen und gegenzusteuern, um die Entwicklung in die richtige Richtung zu lenken.

Diese Episode von „Business Akupunktur“ ist besonders empfehlenswert für:

  • Führungskräfte und Manager, die verstehen möchten, wie sie ihre Organisationen bewusst gestalten und steuern können, um langfristigen Erfolg zu sichern.
  • Organisationsentwickler und Berater, die an neuen Perspektiven und Ansätzen im Bereich Organisationsentwicklung und Value Management interessiert sind.
  • Mitarbeitende in HR und Personalentwicklung, die nach Wegen suchen, um Mitarbeiter zu befähigen und die Unternehmenskultur zu stärken.
  • Unternehmer und Geschäftsführer, die Einblicke in die Herausforderungen der Skalierung von Organisationen und die Notwendigkeit von Veränderungen gewinnen möchten.
  • Interessierte am Thema Wertschöpfung, die lernen wollen, wie man von Kostenmanagement zu Value Management übergeht und dadurch Stress reduziert.

 

Transkript der Episode

Dierk

Hallo und herzlich willkommen zur 33. Episode des Podcast Business Akupunktur. Heute mit dem Titel „Unternehmen brauchen keine Organisationsentwicklung“. Und da das immer so schwierig ist mit dem Betonen, da ist ein Ausrufezeichen dahinter und ein Fragezeichen. Also insofern bin ich mal gespannt, was wir heute zu diesem Thema besprechen werden. Ich freue mich auf dieses Thema. Logischerweise freue ich mich auf alle meine Themen, weil sie immer Sachen betreffen, die mich in meiner Arbeit betreffen. Und ich freue mich heute auf meinen Gast Carolin Fiechter.

Ich habe Carolin und unser Thema für diese Episode in einem interessanten Blogbeitrag von ihr mit dem Titel „Organisationen entwickeln sich von selbst“ gefunden. Und die Überschrift und die Aussagen im Beitrag haben mich natürlich neugierig gemacht auf einen Austausch mit ihr. Deswegen freue ich mich nun auf das Gespräch mit ihr.

Hallo Carolin, herzlich willkommen und vielen Dank für deine Zeit. In deinem LinkedIn Profil steht zu dir Organisationsgestalterin: Mit weniger Stress zu mehr Wertschöpfung. Kannst du uns vielleicht noch ein bisschen mehr zu dir verraten?

Carolin

Ich kann gern verraten, wie ich dazu gekommen bin. Ich komme ganz ursprünglich mal aus der Finanz-, also Banklehre, BWL-Ecke, habe Technology Management zusätzlich noch studiert, war mal eine ganze Zeit an einem Lehrstuhl, wo ich mich mit dem Bereich Wissensmanagement und Geschäftsprozesse beschäftigt habe, habe selber mehrere Unternehmen gegründet, unter anderem ein produzierendes Unternehmen mit am Schluss über 100 Mitarbeitern. Und es hat sich immer so ein bisschen drum gedreht, was sind Organisationen eigentlich, wie stellen wir die auf und wie werden wir erfolgreich und was ist eigentlich Erfolg? Und mein Fazit aus meinen Erfahrungen und das, was ich jetzt eben auch mit Kunden mache, ist das Thema

Wir sind weit raus aus der Ära des Kostenmanagements. Wenn wir jetzt erfolgreich sein wollen in Zukunft, müssen wir Value Management machen, also uns darauf fokussieren, wie wir Wert erzeugen. Und wenn wir uns wirklich auf den Wert ausrichten, haben wir auch viel weniger Stress, weil wir viel weniger beschäftigt sind, weil wir viel weniger Dinge machen, die eben keinen Wert stiften.

Dierk

Cool. Deswegen auch cool, weil wenn ich so ein bisschen auf einen Teil meiner Arbeit reflektiere, da haben sich auch ganz viele IT-Management-Frameworks in Richtung dieser value stream Gesichtspunkten weiterentwickelt oder verändert. Also diese Wertschöpfung zieht sich, wenn du so willst, auch durch meine fachliche Arbeit neben dem Thema Coaching.

Carolin, meinen Gästen stelle ich zum Einschick immer die Frage, was hast du gedacht, als du zum ersten Mal den Titel Business Akupunktur dieses Podcast gehört hast?

Carolin

Ich habe mich total gefreut, den zu hören, weil es kontraintuitiv ist. Business klingt so nach Hart, Fakten, Zahlen, Daten getrieben. Akupunktur klingt so nach Fernost, Zen, Weisheit, Spiritualität. Und gleichzeitig klingt es so nach kleinen Nagelstichen, die man einem relativ trägen System versetzt, um irgendwas zu bewegen. Und das fand ich wahnsinnig spannend.

Dierk

Cool. Ja, ein bisschen esoterisch könnte man nicht fast sagen. Aber interessanterweise habe ich ja häufig Gäste aus diesem eher Hardfacts Bereich und die sagen ja auch immer, naja, ich habe schon Erfahrungen damit gemacht und ich kann mir das vorstellen. Ich glaube, dass das wirklich hilft und dass es mehr bietet als nur Placebo. Und vielleicht ein kleiner Fakt am Rande.

Meine Tochter ist gerade Mutter geworden und selbst die hat Akkupunkturnadeln bekommen, sozusagen zur Vorbereitung auf die Geburt und insofern glaube ich auch, dass ihr das auch geholfen hat. Gut, sehr schön. Dann lass uns mal einsteigen bzw. vielleicht bevor wir einsteigen.

Was hat dich dazu inspiriert, über die selbstständige Entwicklung von Organisationen zu schreiben? Das war ja der Ausgangspunkt, dass ich Kontakt zu dir über diesen Blogbeitrag gefunden habe. Also warum hast du so einen Blogbeitrag geschrieben?

Carolin

Ah, das war eigentlich eine ganz spannende Geschichte. Dieses Thema Organisationsentwicklung und Value Management und auch ganz viel Mental Health bei Führungskräften ist ja aus meiner Geschichte raus und aus meinen Erfahrungen so ein bisschen mein Herzensthema. Und ich habe ein Interview für Colnet gegeben, für die Beratung, bei der ich aktuell tätig bin, wo ich meine persönliche Geschichte auch erzählt habe, eben die Entwicklung unter anderem von der Unternehmerin über Burnout zur Organisationsberaterin.

Und daraufhin wurde ich eben von Michael Schenkel angefragt, ob ich vielleicht zu dem Aspekt, „Organisationen entwickeln sich von selbst“, einen Gastleitrag auf dem Blog von T2 Informatik schreiben würde. Und das habe ich wahnsinnig gerne gemacht.

Dierk

Ja, ja, also das ist ja eine der Quellen für mich, um an neue Themen zu kommen, an interessante Themen, weil ich dann ja bei solchen Blockbeiträgen auch sehe, kann derjenige oder kann diejenige, also erstmal hat die ein interessantes Thema und wie stellt sie das da, weil das ja immer Themen sind, wo ich mich auch zu hingezogen fühle, wo ich ein bisschen Erfahrung mitbringen kann. Das muss nicht sein. Das ist aber ganz hilfreich natürlich und wo ich auch weiß, ich kann noch was lernen. Das ist für mich auch immer wichtig. Ich mache diese Podcast Aufnahmen, diese Gespräche ja eigentlich auch immer mit dem Hintergedanken, dass ich auch etwas lerne. Also insofern glaube ich, dass ich heute etwas lernen kann, denn ich würde mich auch als Organisationsentwickler bezeichnen. Und wenn du sagst, Organisationen entwickeln sich von selbst, könnte man ja fast sagen, das ist eine Spitze gegen Menschen wie mich. Ist das so gemeint? Letztendlich bist du ja auch eine, oder?

Carolin

Genau, das ist auch tatsächlich gar nicht als Spitze gemeint. Es ist ein bisschen provokant und es soll zum Nachdenken anregen. Weil ich finde es wahnsinnig wichtig, Organisationen gezielt zu gestalten und auch die Entwicklung bewusst zu steuern. Ich habe Schmerzen mit dem Narrativ, das man oft dahinter sieht. Also das Bild, dass Organisationen irgendwie statisch sind, dass es einen festen Endzustand gibt und dass man die deterministisch transformieren kann. Also dass man quasi ein klares Programm abspult und dann haben sie einen neuen Status und der wäre dann der perfekte erwünschte Endzustand, weil es das ja nie ist.

Dierk

Ja, ja, okay. Also da würde ich dir ja sofort zustimmen, denn wenn ich an meine, ich nehme jetzt mal als Beispiel meine Scrum-Schulungen denke, dann habe ich immer in meinen Schulungsunterlagen Zitate von berühmten Scrum-Vertretern und ich habe zum Ende hin bei dem Kapitel Scrum einführen, das habe ich schon mal in Anführungsstriche gesetzt und da habe ich auch ein Zitat, aber das Zitat kommt von mir. Weil ich dort eben versuche rüberzubringen, dass man eben es nicht einführen kann. Denn das, ähnlich wie du auch sagst, das suggeriert ja, man hat einen Endzustand, den man im besten Fall ja sogar voraussagen kann. Also man kann dann sagen, wir sind agil. Ja, und also egal welches Adjektiv man jetzt nimmt, diesen Zustand, den kann man eventuell erreichen, aber es wird dann absolut schwierig, ihn vorauszusagen.

Es wird auch schwierig, ihn zu messen, weil wie willst du diese Entwicklung messen? Wie willst du Dinge messen, die insofern gar nicht messbar sind? Okay, gut. Das heißt also, du würdest schon sagen, Organisationen entwickeln sich von selbst, aber man kann sie nicht deterministisch von einem Status, von einem Level zum nächsten bringen.

Das klingt erst mal danach, dass das quasi falsch ist, aber wenn ich jetzt mal so ein bisschen ironisch frage, ist das doch eigentlich super oder wäre das doch super, dass ich eben, wenn es planbar wäre, die Organisation quasi entwickeln kann. Also ich sage, hier bin ich jetzt, hier mache ich eine Aufnahme, also mache ich ein Assessment und sage das, das und das machen wir und dann sind wir besser, dann sind wir auf einem Zielzustand. Also warum geht das nicht?

Carolin

Ich glaube da muss man unterscheiden. Wir können, da bin ich völlig dabei sagen, wir machen jetzt XY oder wir möchten in eine bestimmte Richtung gehen und dann sind wir besser. Das glaube ich durchaus. Was ich nicht glaube, ist, dass was oft missverstanden wird, dann sind wir fertig. Weil wir können als Organisation nicht fertig sein, solange sich sowohl die Organisation weiterentwickelt als auch die Umwelt um uns rum. Das heißt, wir haben immer neue, sich ändernde Variablen, die wir neu ausrichten müssen, damit wir eben gut sind, damit wir unsere Ziele erreichen. Das heißt, die ideale Gestaltung von einer Organisation ist immer abhängig von dem aktuellen Status, den ich habe als Organisation, von meiner Umwelt und von dem nächsten Ziel, das ich habe.

Dierk

Okay, ich habe nachher noch eine Frage vorbereitet, die geht so ein bisschen in die Richtung, wo passt das und wo passt das nicht, was du propagierst. Die stelle ich aber noch nicht. Also ich wollte nur schon mal so ein bisschen in die Richtung jetzt fragen. Wenn das nicht so planbar ist, warum sollten dann Manager überhaupt so etwas anfangen?

Carolin

Dass ich nicht hundertprozentig planen kann und dass ich kein hundertprozentiges Ziel habe, das für immer fest bleibt, heißt ja nicht, dass ich nicht ein Gefühl dafür bekommen muss, ob das, was ich gerade tue, irgendwie gut und sinnvoll ist und in welche Richtung ich gehen sollte. Das, wo ich mir bewusst sein muss, ist in dem Moment, wo ich Menschen habe, die arbeiten, und wo ich halt sehr stark soziale Systeme habe, die auch stark wissensgetrieben sind, stark vom persönlichen Engagement getrieben sind, bin ich einfach nicht mehr deterministisch unterwegs. So wie ich es habe, wenn ich sage, ich habe eine Produktion, wo ich genau weiß, ich stelle eine zweite Maschine rein, ich brauche so und so viel zusätzlichen Strom da drauf, so und so viel mehr an Rohstoffen, die reingehen, dann kommt genau folgend das an Output wieder raus. Das ist was, was nicht funktioniert. Wissensarbeit skaliert nicht in der gleichen Art und Weise wie klassische Produktion. Abstimmung innerhalb einer Organisation skaliert auch nicht in der gleichen Art und Weise.

Dierk

Okay, einverstanden. Das war jetzt schon mal ein Beispiel aus der Produktion. Also quasi als Gegenbeispiel hast du noch ein paar andere Beispiele, wo du wirklich mal aufzeigen kannst für die Menschen, die es bisher noch nicht verstanden haben, was ich nicht glaube. Aber es kann ja sein, dass der eine oder andere noch Beispiele braucht. Also hast du mal so ein paar Beispiele.

Carolin

Das, was ich immer ganz gerne nehme, um die Logik zu beschreiben, ist, ich hatte mal ein Unternehmen gegründet, das Verpackungen später hergestellt hat. Als wir angefangen haben, waren wir zwei Gründer und zwei Angestellte. Wir waren in einem Raum, wir haben zusammengearbeitet. Es war immer jeder über alles informiert. Wir haben die Entscheidungen meistens zusammen immer sehr schnell getroffen.

Wir waren erfolgreich damit, definitiv. Wir haben Businessplan-Wettbewerbe gewonnen, wir haben Investorengelder gewonnen, wir haben erste Prototypen hergestellt. Was wir nicht hatten, war auch nur ein einziger klar definierter Prozess. Und es war gut, es hat genau gepasst in diese Situation. Drei Jahre später, wir hatten knapp 50 Mitarbeiter auf zwei Kontinenten und

Ich habe festgestellt, da wo ich früher als Generalistin und auch als Expertin von meinem Produkt und meiner Strategie als Geschäftsführerin die Lösung für ganz vieles war, war ich auf einmal das Problem. Ich war quasi das lebende Bottleneck in der Firma, weil alles über mich oder mein Kompagnon gehen musste, während wir gar nicht die Chance hatten, so sehr in alles involviert zu sein.

Das heißt, in dem Zustand muss ich plötzlich irgendwelche Prozesse definieren und irgendwie klar regeln, wie das Zusammenspiel dieser Leute ist. Das heißt nicht, dass der Zustand, den wir am Anfang hatten, schlecht gewesen wäre oder dass das jetzt schon der perfekte Zustand war, sondern ich muss immer schauen, wo stehe ich denn gerade und wie organisiere ich mich mit dem, was ich habe, in dem Umfeld, wo ich mich gerade bewege, auf mein Ziel hin.

Als Zusammenfassung glaube ich, das, was mir wichtig ist, rüberzubringen. Die Entscheidung, die wir damals getroffen hatten, war richtig und das geht größeren Organisationen auch so. Es geht gar nicht darum, dass man falsche Entscheidungen getroffen hat, sondern dass es oft so ist, dass das System die Organisationsform, die uns zum heutigen Erfolg gebracht hat, verhindert, dass wir zukünftig erfolgreich sein werden, wenn wir sie nicht wieder anfassen.

Dierk

Ja, und das, was ich so interessant finde bei deiner Aussage und bei deinem Beispiel ist ja auch eine richtige Entscheidung ist quasi nur richtig auf den Zeitpunkt bezogen, auf das aktuelle Umfeld bezogen. Und dann müsstest du ja im Prinzip sagen, so die Entscheidung, die war damals richtig und jetzt ist sie falsch.

Aber falsch im Sinne von, wir müssen sie einfach revidieren. Sie ist jetzt nicht mehr gültig. Und das, glaube ich, ist ein wichtiger Punkt, weil wir ja auch, ich könnte ja auch sagen, das fällt ja auf, du wirst da gemerkt haben, dass du das Bottleneck auf einmal warst. Das sind vielleicht schleichende Entwicklungen. Das kam vielleicht beim 22. Satz, beim 25. Das kam vielleicht bei dem zweiten Kontinent, wo auch immer das gekommen ist. Aber das kam ja doch. Das heißt, eigentlich hätte man das ja einfach mal nachjustieren können, oder?

Carolin

Das haben wir ja dann genau gemacht. Bis dahin habe ich das gemacht, was Gründer typischerweise tun, einfach noch mehr und noch länger gearbeitet.

Das ist ein ganz, ganz typisches Muster, warum so viele Gründer auch tatsächlich in Richtung Burnout laufen, weil die sich schwer tun, die Verantwortung abzugeben, weil die den Zeitpunkt sehen, wo sie anfangen müssen zu delegieren und weil sie sich schwer tun zu entscheiden, was muss denn wirklich ich selber machen, weil es zum Wertzuwachs des Unternehmens beiträgt und meine Verantwortung ist? Was muss ich selber entscheiden? Ganz klassisch, als Geschäftsführer muss ich beispielsweise Entscheidungen, die den Cashflow oder also Liquidität, Überschuldung, Insolvenz-Tatbestände betreffend unbedingt selber treffen. Was kann ich aber auch vernünftig abgeben und wie kann ich das vernünftig abgeben?

Dierk

Ja, wir sprechen ja auch über das Thema. Was heißt auch? Wir sprechen ja hauptsächlich über das Thema Organisationsentwicklung. Und die Kernthese ist ja, Organisationen entwickeln sich von selbst. Jetzt höre ich bei dir raus. Sie entwickeln sich schon von selbst, aber man muss immer mal so Punkte setzen. Also man könnte fast immer muss man Nadelstiche setzen, wenn man bei dem Titel vom Podcast bleibt. Und diese Nadelstiche hättest du die setzen können, sozusagen im Rückblick oder dein Mitgründer?

Carolin

Ja, definitiv ja. Und ich glaube auch, dass es ist ja ein Zusammenspiel. Also die Organisation verändert sich ganz von selbst. Damit meine ich vor allem die Vorstellung, sie wäre statisch, ist einfach falsch und gefährlich. Das ist mein zentraler Punkt. Wenn die sich verändert und ich mein Denken nicht mitverändere, dann stößt das irgendwann aufeinander. Dann wird das irgendwann zum Problem. Das ist eigentlich der Punkt.

Und ich glaube, das muss man verstehen. Das ist bei uns was, was wir mussten das erleben, wo das Problem ist, um zu sehen, dass es so nicht mehr weitergeht. Und als Unternehmen sollte ich regelmäßig eben drauf schauen, wie steht es denn gerade. Und mich zeigt bei einer Organisation irgendwelche Symptome, dass es, ich sag mal, knirscht im Getriebe. Gibt es Hinweise darauf, dass das, was wir tun, vielleicht nicht das Beste ist, was wir tun können. Und ganz einfach gefragt,

Auch wenn wir davon ausgehen, dass die letzte Entscheidung, wie wir die Organisation gestalten, zu dem Zeitpunkt richtig war, würden wir unsere Organisation heute mit dem heutigen Wissen, in den heutigen Umständen am Reisbrett wieder genauso bauen oder würden wir sie jetzt anders bauen? Und wie groß ist dieser Gap? Da kann ich reinschauen.

Dierk

Okay, jetzt habe ich immer mal in meinen Episoden, in meinem Podcast Gäste, die im Prinzip genauso eine Aussage treffen, die, wenn man das ein bisschen überspitzt formuliert, sagen, Menschen wie dich jetzt oder wie mich brauchen wir nicht.

Zumindest provokativ. Ich würde jetzt einfach mal sagen, zu dem, was du eben noch mal gesagt hast, da hätte aber auch jemanden helfen können, der von draußen draufschaut. Also ein externer Organisationsentwickler, der sei der Mensch. Carolin, das, was ihr da gerade macht, das kenne ich. Also ich habe selber schon zwei-, dreimal durchgemacht, wie auch immer. Das machst du jetzt ja auch in deiner jetzigen Tätigkeit. Das und das passiert. Überlegt mal, ob er da nicht vorher gegen angehen wollte.

Carolin

Definitiv bei den meisten Herausforderungen, vor denen man zum ersten Mal steht, war es für Außenstehende und besonders für welche, die vom Fach sind oder eine entsprechende Erfahrung schon mal gemacht haben, vermutlich schon deutlich früher ersichtlich. Also auch wir hätten verschiedene Dinge bestimmt sechs, zwölf Monate früher völlig anders angehen müssen. Und ich würde jetzt selbstverständlich auch in der Rückschau Dinge anders angehen.

Und ich glaube, dass es jedem Unternehmen guttut, jemanden zu haben, der von außen drauf schaut und der das große Bild sehen kann, weil jeder im Unternehmen, der da längere Zeit drin ist, die inneren Zusammenhänge so klar sieht, dass es schwer wird, rauszuzoomen und aufs Gesamtbild zu schauen. Das heißt, wenn ich Leute frage, die im Unternehmen länger drin sind, wo denn die Schmerzen sind, dann sagen die meistens, ja, wir haben zu viele Meetings und die Abteilung da drüben liefert nie und die dauert lauter Veränderungen, solche Sachen. Also wir sehen sehr spezifische Symptome.

Aber diesen Schritt rausgehen und sagen, eigentlich haben wir viel zu viel Arbeit im System, wir sind alle beschäftigt, aber es wird nichts fertig und wir müssten eigentlich schauen, dass wir viel weniger machen und das dafür fertig machen, das sehe ich nicht, oder schwerer, wenn ich so tief drin stecke.

Dierk

Ich muss dann immer an meinen Coaching-Ausbilder denken. Der hat nämlich gesagt, die emotionale Intelligenz, der IQ in diesem Falle sinkt gern null oder gegen null bei persönlicher Betroffenheit. Weil er selber bei sich auch erlebt hat. Er ist ein super Coach, aber in seiner persönlichen Umgebung hat er auch diesen blinden Fleck gehabt. Da war er auch zu sehr im System drin, um sich selber quasi zu coachen. Aber das, was du eben gerade gesagt hast, das finde ich im Prinzip wäre ja schon noch ein Punkt, den ich jetzt mitnehmen würde. Es geht letzten Endes bei der Aussage, Organisationen gestalten sich selber, letzten Endes darum, sie tun es selber, aber man muss einwirken. Man muss gegensteuern. Und wenn man im System ist, ist die Wahrnehmung, die bewusste Wahrnehmung, der eigentlich entscheidende Punkt. Und das wäre Aufgabe der Organisationsentwicklung.

Carolin

Genau, genau. Und das ist auch so ein bisschen die Herausforderung, das tatsächlich zu sehen und damit gehört zu finden. Weil das, was wir typischerweise sehen, sind halt Inseloptimierungen stattdessen. Das, was wir auch sehen, wenn wir ganz viele oft in skalierten agilen Frameworks, skalierte Scrum Frameworks, die so aufgestellt sind, dass im Prinzip jedes einzelne Team versucht, seine Velocity oder was auch immer zu optimieren.

Aber relativ schwierig ist noch drauf zu schauen, was macht das im Gesamtsystem denn überhaupt Sinn? Vor allem, wenn ich dann mit solchen Dingen messe. Also es kann ja durchaus sein, dass es sehr, sehr großen Sinn macht, ein Team die Hälfte der Zeit nicht beschäftigt zu haben, weil ich es an wirklich wichtigen Stellen brauche, damit es anderen Teams zuarbeitet und genau dann verfügbar ist und dass das deutlich mehr schafft, als wenn dieses Team dauerhaft Dinge tut, aber halt bestimmte Sachen erst eine Woche später fertig werden.

Dierk

Ja gut und dann kommen wir wieder zu dem Eingangspunkt, auch der Vorstellung oder unserer Vorstellung. Dann haben wir Wertschöpfungsketten, dann haben wir Value Streams, wo wir beide wissen und viele andere Experten, dass ich natürlich an einzelnen Punkten etwas optimieren kann.

Ich kann ja auch nach der Theory of Constraints vorgehen, aber trotzdem muss ich den gesamten Blick haben. Und das wird dann eben schwierig. Bei eurem Beispiel mit vier Menschen, da habt ihr alle zusammengesessen, ihr habt alle den Überblick gehabt. Bei zwei Kontinenten wird es schon schwierig, weil dann nämlich schon ein anderer der Kommunikation wichtig wird. Platz findet also vier Menschen dann auf zwei Kontinenten wäre schon eine Veränderung Zeitzone und so weiter und bei noch mehr Menschen wird es einfach noch schwieriger also weg von den Insel Optimierungen und das sind wir der punkt das muss man wahrnehmen das muss einem bewusst werden damit wir eben keine Insel Optimierungen haben auch wenn es für mich klar ist hast du noch ein paar Beispiele woran du das damals gemerkt hast oder hättest merken können

Carolin

Also ich hätte es unter anderem daran merken können, dass jede Entscheidung tatsächlich über meinen Tisch gelaufen ist, dass Leute permanent zu mir gekommen sind und gesagt haben, sollen wir jetzt A oder B machen? Und ich sehr viel Zeit damit verbracht habe, dann selber diese Alternativen abzuwägen. Das ist, wenn ich skaliere und das vernünftig machen will, ja, ein ganz zentraler Punkt, dass ich schaue, dass ich meine Mitarbeitenden so enable, dass die verstehen, wo will ich hin, also was ist das Ziel, was sind die Leitplanken quasi, in welchem Rahmen darf ich mich dafür bewegen und dann zu sagen, ich kann hier innerhalb dieses Rahmens beispielsweise irgendwelche Entscheidungsvorlagen erarbeiten oder Alternativen ausarbeiten, zu denen dann irgendjemand noch kurz draufschaut und relativ schnell Ja oder Nein sagen kann oder je nachdem, in welchem Rahmen ich eben unterwegs bin. Ich darf innerhalb von diesem Rahmen die Entscheidung auch komplett selber treffen. Genau das

Dierk

Du hast ja vollkommen recht, eben genau nicht zu sagen A oder B und da musst du überlegen, sondern so etwas vorzubereiten und dann wissen die Mitarbeitenden, dass sie am besten sogar sagen, ich würde A machen. Ist das okay für dich? Hast du noch andere Beispiele, wo man das merkt oder woran du es hättest merken können?

Carolin

Ich konnte kaum noch planen, weil ich Information nicht mehr vorliegen hatte. Also beispielsweise, wenn ich wissen wollte, wie viele Rohstoffe wir auf Lager hatten, dann musste ich jemanden zum Zellen losschicken. Wir hatten kein irgendwie System, das das Ganze verwaltet hätte, kein ERP-System oder Ähnliches. Und das ist natürlich dann auch wahnsinnig schwierig, damit sauber zu planen. Genauso wie, wie ist denn eigentlich unser aktueller Auftragsstand? Ja, das war bei verschiedenen Leuten auf dem Schreibtisch, das war irgendwo in irgendwelchen Skype-Chats oder ähnliches versteckt, aber es war nichts, wo ich es auf einen Blick gesehen hätte, was unproblematisch war, als wir zu viert waren, weil da habe ich alles mitgekriegt, was mit knapp 50 Leuten und mehreren, die am Sales beteiligt sind, eine Katastrophe ist. Mhm.

Dierk

Ja, na gut. Und ich könnte mir vorstellen auch, dass dann ja irgendwann so etwas beginnt wie Silos. Ich hatte ja auch vor ein paar Folgen auch das Thema Silo-Denken. Das passiert ja erst mal automatisch. Also wir sind ja gerade dabei bei dem Thema Organisation gestalten sich selbst und dann gestaltet sich etwas, weil man dann vielleicht keine Antwort kriegt oder eine Antwort von dir kriegt, die zu spät kommt, wie auch immer, dann entstehen einfach Bereiche, es entstehen Silos und dann machen die anderen das falsch oder die anderen liefern das nicht oder die anderen stellen die Informationen nicht bereit. Das würde ja wahrscheinlich ein weiterer Punkt aus dem Beispiel, Organisationen gestalten sich selbst.

Carolin

Genau, das ist das, was ich… Also hatten wir jetzt bei der Größe noch nicht, ist bei unter 50 oder deutlich unter 100 Personen seltener. Bei uns war es beispielsweise unproblematisch, weil wir gar nicht genügend Büros gehabt hätten, dass jeder eines hätte sitzen können. Das heißt, auch verschiedene Abteilungen sind zusammengesessen und haben deswegen mitgekriegt, was gelaufen ist. Es hat sehr gut funktioniert. Aber ich sehe das in gerade größeren Organisationen, wie sind auch vielen, die im Bereich der agilen Transformation sind, sehe ich genau diese Muster. Die Leute sind alle beschäftigt. Es ist wahnsinnig schwer, Termine zu kriegen, wo mehr als drei Leute involviert sind, weil die Kalender so voll sind. Das heißt, wenn ich auf irgendwelche Termine zwei Wochen plus X warten muss, dann weiß ich, wir haben Grundprobleme in der Organisation. Und da passiert dann ganz typisch auch dieses Fingerpointing. Also, die da machen alles falsch, und die Abteilung hält uns immer auf, und die da wissen überhaupt nicht, was sie wollen, und die kommen permanent mit neuen Anforderungen und so.

Also dieses, wo einfach die Hilflosigkeit der Leute spürbar ist, die versuchen innerhalb dieses Systems ja tatsächlich wertvolle Arbeit zu leisten, aber das System gibt es nicht mehr her.

Dierk

Gut, wahrscheinlich könnte man noch stundenlang darüber sprechen, woran du das hättest merken können. Mitarbeiterzufriedenheit wird gesunken sein, die werden gemotzt haben, die werden häufiger krank gewesen sein. Können wir uns alles jetzt mal schenken, wenn wir jetzt mal konstruktiv drauf gucken?

Rückblickend. Also was hättest du denn anders machen können oder anders darum? Gerne auch, dass du in deiner heutigen Arbeit als Organisationsentwicklerin, was hättest du dir damals vor x Jahren denn geraten? Was hätte man anders machen sollen?

Carolin

Grundsätzlich ein ganz rigoroses Mindset auf Value Management. Also wirklich bei allem, was ich tue hinterfragen, ist das das Wertvollste, was wir als Organisation tun können, ist das das Wertvollste, was ich in meiner Position tun kann, weil das ganz viele Fragen beantwortet, beziehungsweise viele Dysfunktionalitäten relativ frühzeitig aufzeigt. Da wäre mir viel früher bewusst geworden, was alles nicht sinnvoll ist, von dem, was ich tue, das ausgerechnet ich das mache.

In einer größeren Organisation würde ich das machen, was man beispielsweise bei Kanban ja auch tut, nämlich sagen, ich muss erstmal den Status quo verstehen. Ich brauche irgendein Bild, wie es gerade bei uns ausschaut. Und da gibt es diverse Raster, die man nutzen kann.

Meine Empfehlung, was für mich ganz gut funktioniert, ist, sich mal fünf Dimensionen der Organisationsgestaltung anschauen und die als Raster verwenden. Wo stehen wir denn da? Weil man da relativ schnell sieht, wo es gerade am meisten hakt oder wo wir ein bisschen grundsätzlich Schwierigkeiten haben.

Was darunter fällt, ist zum einen mal die Handlungsautonomie. Das heißt, wie viel Freiheitsgrad habe ich denn als Mitarbeiter, als Führungskraft, wie auch immer. Und ist das Ganze formalisiert? Das heißt, ist es klar durchgetaktet oder bin ich enabled dabei? Also da rief ich tatsächlich selbst entscheiden. Stehen mir die Informationen zur Verfügung?

Und der Entscheidungsfreiraum. Das Thema Delegation von Entscheidungen ist da relativ nah dran. Das heißt, wie werden Entscheidungen getroffen, was kann ich denn abgeben und wie mache ich das? Das ganze Thema Kooperation, wie arbeite ich zusammen, was in klassischen Hierarchieformen ja oft abteilungsgetrieben ist. Wir haben eine Beschaffung, wir haben eine Produktion, wir haben in der Produktion verschiedene Unterabteilungen und so weiter.

Idealerweise, wenn ich Wert schaffen will, dann arbeite ich auch so zusammen, dass ich mich an der Wertschöpfung orientiere bei der Zusammenarbeit. Welche Strukturen habe ich denn im Unternehmen? Da wissen wir ja auch, dass die Art, wie wir eine Organisation aufbauen, darüber entscheidet, wie quasi das Ergebnis aussieht, das die Organisation am Schluss liefert, als sogenannte Conway’s Law.

Aktuell relativ trendend dazu, davon abgeleitet die Team Topologies, also der Claim tatsächlich, Teams so zu gestalten, wie man das Endprodukt haben möchte. Das heißt, das klassische Schichtenmodell habe ich auch genau in diesen Schichten entwickelt, aber ich kriege, wenn ich die gleichen Teams von damals nehme, möglicherweise keine Microservices oder irgendeine andere Form von Architektur hin.

Also das wirklich, sich anzuschauen, wie ist meine Struktur gerade und das Thema, wie gut bin ich denn generell im Bereich Wandlungsfähigkeit, also kann ich mich verändern, habe ich Lernen auch organisational irgendwie als Kernkompetenz bei mir drin oder bin ich besonders gut darin, völlig unbeirrt das, was ich schon immer getan habe, weiter zu tun? Eben, genau.

Dierk

Es war ja richtig bis zu einem gewissen Punkt. Also für die, die jetzt Conway’s Law und Team Topologies zum ersten Mal gehört haben, ich werde da zwei Links in die Show Notes setzen. Ich habe bei Michael Schenkel dazu einen Beitrag geschrieben, wenn ich mich richtig entsinne, und dazu gibt es das Buch.

das für die, die da vielleicht ein bisschen stärker ein oder tiefer einsteigen wollen, finde ich interessant, wenn quasi auch aus einem Nicht-IT-Thema so etwas quasi empfohlen wird. Und dieses Buch ist ja nun auch schon fünf Jahre alt, glaube ich. Also es ist ja über den Status hinweg, ein neues, cooles Buch zu sein. Das ist ja schon etabliert und ich finde es immer toll, wenn es dann immer noch angesprochen wird.

Du hast von fünf Dimensionen gesprochen. Du hast die fünf Dimensionen auch aufgeführt. Darf ich mir das so vorstellen, dass du dann mit so einer Excel-Tabelle kommst und so einen Reifegrad-Assessment machst?

Carolin

Oh Gott, nein. Nein, ich bin, also alle, ich glaube nicht daran, so etwas mit Zahlen zu messen, weil das, also,

Es lässt sich nicht messen. Es gibt keine hundertprozentigen Ausprägungen. Es gibt kein Gut oder Schlecht. Das, was ich da tue, ist, ich visualisiere. Es geht wirklich darum, sich zusammen hinzusetzen und zu sagen, lass uns das mal anschauen. Wie fließt die Arbeit hier durch? Wie wird zusammen gearbeitet? Wo sind da die Berührungspunkte? Haben wir Gemeinschaftsarbeiten? Haben wir Übergaben? Wie lange liegen die Dinge dazwischen? Der Klassiker.

Sachen brauchen ja nicht lange, weil wir lange dran arbeiten, sondern weil sie dazwischen wahnsinnig lange liegen. Wie ist die Verteilung von Informationen zu Entscheidung? Das sind so Sachen, die wir uns dann gemeinsam anschauen. Und wir schauen uns das Bild an. Und wenn man da drauf schaut, dann fallen einem eigentlich immer Sachen auf, wo man sich denkt, ob das so eine gute Idee ist. Oder, ah, okay, jetzt macht Sinn, dass das und das nicht funktioniert.

Wenn ich beispielsweise Unternehmen habe, die wie es so schön heißt Aufzug fahren, also wo Entscheidungen quasi über die Hierarchie einmal nach oben gespielt wurde, bis dann der Vorstand zum Nachbarvorstand gibt, dann wieder runter gefragt wird und dann wieder hochgegangen wird. Solche Sachen beispielsweise sieht man da sofort und werden oft erst dann so richtig bewusst.

Dierk

Ja, wobei dieses Bewusstsein ja noch nicht dazu führt, dass man sofort meint, etwas ändern zu müssen. Also ist schon ein paar Jährchen her, aber war ich auch in einem Projekt, wo der Begriff überpriorisieren genau das beschrieben hat, was du gerade gesagt hast. Also es wird überpriorisiert. Und es war eigentlich allen klar, dass das an so vielen Stellen für mehr Arbeit, für Wartezeit, für Frust und für Ärger gesorgt hat. Aber man hat nicht wirklich angefangen, was dagegen zu tun hat. Es hat eine Zeit lang gedauert, bis man da wirklich was getan hat. Dann hat man massiv etwas getan. Das fand ich gut. Aber wie gesagt, allein dieses Bewusstsein an sich ist ja noch nicht der, das kann nur der Startpunkt sein in einer Veränderung. Da würde ich jetzt mal fragen. Ja, bitte.

Carolin

In Bezug auf das Bewusstsein, in Bezug auf das Bewusstsein würde ich gerne ergänzen, wir müssen auch unterscheiden zwischen die Organisation als abstraktes Konstrukt, die ja kein eigenes Bewusstsein hat, sondern wir haben Vorstellungen, was gut für die Organisation ist, versus die persönliche Agenda, die jede einzelne Person, die in dieser Organisation involviert ist, hat. Und das sind typischerweise die Punkte, wo ich die Schwierigkeiten sehe, dass es tatsächlich anfängt. Also nicht, weil man sich das nicht bewusst ist, sondern wenn ich einfach als Topmanagement über Quartalsziele gemessen werde, dann ist meine Motivation einen Veränderungsprozess, der fürs nächste halbe oder dreiviertel Jahr für schlechtere Zahlen sorgt, danach aber für sehr viel bessere. Den einzugehen, wird meine Motivation relativ gering sein. Wenn ich sage, ich habe noch drei Jahre bis zur Rente und ich möchte in dieser Zeit hauptsächlich meine Ruhe haben, wird meine Motivation, was zu verändern, relativ gering sein. Also wir müssen auch immer schauen, nicht nur was ist für das Konstruktorganisation aus unserem Verständnis das Beste, sondern was macht der Status quo mit den Beteiligten und was würde eine Änderung des Status quo mit den Beteiligten machen.

Dierk

Okay, jetzt haben wir das gemacht, was du gerade erzählt hast. Wir haben Dinge visualisiert, wir haben ein paar Dimensionen betrachtet, wir haben ein Bild und im besten Falle haben wir sozusagen ein gemeinsames Bild. Also das könnte ja auch sein, dass es unterschiedliche Sichten gibt. Jetzt tun wir mal so, wir haben ein gemeinsames Bild und springen von dem Flipchart oder wie auch immer du das machst, springen uns jetzt die Erkenntnisse entgegen. Was macht man dann?

Carolin

Ich würde immer erst reinschauen, so nach dem Motto, wo ist denn der Schmerz am größten? Wo haben wir Bottlenecks und Konfliktherde? Na, Bottlenecks heißt immer, wir

Wir deckeln unsere Wertschöpfung, die wir überhaupt leisten können. Und Konfliktherde heißt, wir verheizen unsere Leute. Das heißt, wir werden eine höhere Fluktuation haben, damit massive Kosten. Sprich, das möchte ich als erstes sehen. Und das sehe ich bei sowas typischerweise. Also wo liegen Dinge besonders lang? Was braucht besonders lang? Wo liegt es denn wirklich lang? haben wir Stellen mit Auslastungen von über 80%. Das ist das, was wir wissen, wenn wir nicht eine Varianz von Null haben, indem die Arbeit in ein System fliegt, dann steigt die Zeit, die Arbeit in einem System verweilt, bei einer Auslastung von über 80% exponentiell mit einem Limescreen unendlich.

Das heißt, das ist auch etwas, was wir, wenn wir außerhalb von getakteten Maschinen sind, unbedingt angehen müssen. Gibt es irgendwas, wo wir Abstimmungsschleifen haben, die immer wiederkehren, also die mehrfach durchlaufen werden? Haben wir mehrstufige Genehmigungs- oder ähnliche Prozesse, die die Wertschöpfung aufhalten? Also was unterbricht eigentlich alles unseren Wertstrom?

Und wenn ich das überhaupt mal identifiziert habe, dann ist meine Empfehlung immer reinzugehen und zu sagen, nicht das ganze Ding angehen, nicht die ganze Welt auf links drehen, sondern schauen, kann ich hier mit Pilotprojekten Quick Wins erzielen.

Zwei maximal drei Prälobprojekte gleichzeitig. Alles andere ist ein Punkt, da sind wir wieder mit dem Thema Fokus. Verzetteln, wie viel Arbeit tue ich mir gleichzeitig an. Erstmal Sachen fertig machen, also zwei höchstens drei Projekte. Die Projekte immer mit einem Sponsor aus der höchsten Unternehmensebene und immer mit freiwilligen Leuten.

Warum? Wenn ich eine entsprechend hochbezahlte Meinung habe, die da dahinter steht, hat das Ganze einen anderen Zug. Und wenn ich Freiwillige in dem Projekt drin habe, dann habe ich Menschen, die intrinsisch motiviert sind. Wenn diese Kombination nicht reicht, dass das Projekt funktioniert, dann funktioniert es auch in keinem anderen Setting. Die Wahrscheinlichkeit, dass es funktioniert, ist so deutlich höher. Und damit habe ich eine Erfolgsgeschichte, die ich erzählen kann, die ich nutzen kann, um Angst abzubauen, dass es schiefgehen könnte, die ich nutzen kann, um den Wunsch zu erzeugen, oh, das wäre schön, wenn es bei uns auch so wäre, und damit eine entsprechende Sogwirkung. Und wenn ich das schaffe, dann schaffe ich es auch, Veränderungen zu etablieren, weil ich dann ja zeigen kann, wir strukturieren um, muss nicht notwendigerweise ein Euphemismus für die Hälfte der Leute entlassen sein, sondern dass wir damit den Veränderungen meinen,

Wir passen Sachen so an, dass es uns allen besser damit geht, also dass mehr Wert rauskommt, aber auch die Beteiligten weniger gestresst daran arbeiten können. Und damit komme ich relativ weit. Und wenn ich tatsächlich irgendwann so weit bin, dass ich brauche einen Big Bang, weil ich ganz grundsätzlich mich umstellen muss oder möchte, dann habe ich so weit vorgearbeitet, dass ich auch hier die Leute leichter mitnehmen kann.

Dierk

Ja, unser Episode heißt ja, Unternehmen brauchen keine Organisationsentwicklung. Das, was wir jetzt aber gerade ja besprechen, also mit dem Fragezeichen und Ausrufezeichen. Das, was wir gerade besprechen, ist ja Organisationsentwicklung. Das, was du jetzt gerade angesprochen hast, ist ja etwas, was wir so ein bisschen auf deine persönliche Erfahrung münzen, aber das kann man ganz allgemein sagen. Also letzten Endes wäre das ein Element. Wir haben ja gesagt, die bewusste Wahrnehmung eines Zustandes, der nicht mehr so optimal ist. Man braucht zu lange für einen Termin und so weiter. Da sollte der Warnpunkt sein, der Hinweisgeber sein, mal etwas zu visualisieren. Da waren wir jetzt ja gerade. Und dann eben auch Quick Wins zu haben.

Weg von Inseloptimierungen hin zu einer Orientierung an den gesamten Value Stream. Du hast eben gesagt, okay, wir verändern jetzt etwas. Was wäre also, wenn ich diese Signale richtig deute? Dann tue ich das etwas. Aber gibt es ein paar Indikatoren,

Wir haben das vorhin schon mal ein bisschen angesprochen, also angerissenes Thema. Gibt es ein paar Indikatoren, wo du sagst, hey, das ist definitiv etwas, woran man merkt, dass wir eine Organisationsentwicklung brauchen.

Carolin

Ja, definitiv. Das, was wir schon angesprochen haben, die in Anführungszeichen sogar noch sanfteren, sind diese klassischen Sachen, brauchen wahnsinnig lange. Die Mitarbeiter fühlen sich wie im Hamsterrad. Alle sind immer beschäftigt und es wird gleichzeitig nichts fertig.

Was dann daraus folgt, ist typischerweise genau, dass die Mitarbeiterzufriedenheit sinkt. Wenn ich das Gefühl habe, das System hindert mich daran, gute Arbeit zu leisten, ist das etwas, was frustriert, was auch zu einem entsprechend höheren Krankenstand führen kann, wenn es länger anhält und auch zu einer höheren Fluktuation.

Insbesondere im Front- und Mittelmanagement, da kommt der ganze Druck zusammen und da habe ich irgendwann eine relativ hohe Fluktuationsrate. Wir haben die Auswirkung auf die Wertschöpfung eben dadurch, dass Dinge länger dauern, dauert es auch länger, bis wir Geld verdienen tatsächlich, beziehungsweise es kann uns auch passieren, dass die Qualität sinkt, weil eben die Abstimmungsprozesse dazu führen, dass Dinge unter den Tisch fallen.

Und wir kriegen irgendwann tatsächlich dann richtige Explosionen raus. Das heißt, dass ein Projekt richtig schief geht, dass ein ganzes Team geschlossen kündigt, dass wir eine drastische Steigerung an Produktionsfehlern haben, dass wir Kunden haben, die wochenlang auf ihre Lieferung warten oder dass wir große Kunden verlieren. Und das alles bedroht ja im Kern die Wettbewerbsfähigkeit und damit auch den Weiterbestand eines Unternehmens.

Dierk

Also wenn ich das mal sozusagen für mich nochmal reflektiere, zusammenfasse, dann gibt es ein paar Punkte, die du eben genannt hast, Mitarbeiterzufriedenheit. Also was ich definitiv relativ einfach messen kann, ist der Krankheitsstand und die Fluktuation.

Die Fluktuation hat vielleicht noch eine längere Auswirkung. Also jemand kündigt und irgendwann geht er. Er kündigt vielleicht erst innerlich. Das dauert vielleicht ein bisschen länger. Aber so einen Krankheitsstand, den kann ich definitiv quasi täglich messen. Und da habe ich sehr schnell etwas. Denn die Auswirkungen auf die Wertschöpfung, dass Dinge länger dauern, dass die Qualität sinkt, das kann ich alles messen. Aber es ist ein bisschen schwieriger. Ich muss mehr Aufwand betreiben. Und wenn ich die Mitarbeiter frage, wie zufrieden seid ihr, dann brauche ich nur die Hoffnung, dass sie die Wahrheit sagen. Ansonsten kann es auch sein, dass sie das sozusagen runterschlucken und sagen, alles gut, alles fein. Und du merkst erst dann, wenn da quasi, ich sag mal, Zusammenbericht neben dem Schreibtisch oder eben kündigt. Und schlussendlich hast du gesagt, es bedroht die Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens. Und das ist das, wo ich immer darauf hinweise, das hört sich ja manchmal so ein bisschen danach an, naja, es muss nur alles wunderschön sein, die Menschen müssen sich wohlfühlen und so, also mit Wattebäuschen werfen und alles ganz, ganz fein und alles easy peasy. Das mag so sein, aber schlussendlich machen wir das ja nicht, weil wir unsere Mitarbeiter oder machen wir das nicht nur, weil wir unsere Mitarbeiter in der Gesundheit erhalten wollen, sondern weil es auch auf die Wettbewerbsfähigkeit unseres Unternehmens einen Einfluss hat.

Carolin

Genau. Genau das und Mitarbeiterzufriedenheit hängt ja jetzt nicht aus, also kommt ja nicht notwendigerweise daher, dass wir irgendwo einen Kicker stehen haben und dass wir jeden Donnerstagabend zusammen auf ein Bier gehen oder ähnliches, sondern Mitarbeiterzufriedenheit hat ganz viel damit zu tun, ob ich einen Sinn in dem sehe, was ich tue und ob ich mich fair behandelt fühle. Das sind eigentlich so zwei ganz, ganz ausschlaggebende Dinger. Und das ist was, was tatsächlich vom System sehr stark bestimmt wird. Wenn ich ein System habe, wo ich als Mitarbeiter das Gefühl habe, ich arbeite für die Tonne, weil die Hälfte durch irgendwelche anderen Entscheidungen kassiert wird oder ich warte sowieso auf irgendwelche Zulieferungen von anderen Teams oder ich baue ewige Workarounds, dann ist das was, was dafür sorgt, dass mein Sinnempfinden runtergeht.

woher relativ viel am Frust kommt. Und der zweite Punkt ist eben Fairness, wenn ich also dann als Team auch noch dafür Rechenschaft ablegen muss, warum das bei uns so lange dauert oder warum das bei uns jetzt nicht weitergeht. Oder wenn ich das Gefühl habe, ich kann jetzt tatsächlich auch nichts bewegen.

Wie viel Bewegungsspielraum, wie viel Einfluss habe ich denn tatsächlich? Das sind die Dinge, die massiv was mit der Mitarbeiterzufriedenheit machen. Und ich kann viel Leistung von jemandem bekommen, wenn ich Wertschätzen mit den Personen umgehe, wenn ich klare Ziele vorgebe und wenn ich die befähige, also wenn ich den Mitarbeitern dabei helfe, leistungsfähig zu sein. statt wie die klassische Lehre quasi des letzten Jahrhunderts zu sagen, ich suche belastbare Mitarbeiter, weil mein Ziel ist, als Unternehmen die möglichst stark zu belasten. Das ist das, was tatsächlich nicht mehr funktioniert.

Dierk

Ich glaube auch in meiner ersten Stellenanzeige, wo ich mich beworben habe, dann auch belastbar.

In meiner Bewerbung war ich belastbar, aber ich habe sehr schnell gemerkt, ich war nicht so belastbar, wie ich hätte sein müssen. Also hab dann auch oder wie man es von mir erwartet hat, dass ich musste auch ein bisschen nachjustieren bei mir und meine Arbeit. Du hast vorhin so ein schönes Beispiel gebracht aus der Produktion. Das fand ich finde ich immer sehr, sehr schön, weil das Thema Lean Management kommt ja auch aus der Produktion und ich glaube, dass man das auch sehr gut darstellen kann oder übertragen kann auf die Wissensarbeit hast du auch ein Beispiel hierfür für das Thema Belastung aus einer greifbaren also ein greifbares Beispiel

Carolin

Die Belastung, wo ich es am stärksten erlebe, ist tatsächlich im Front- und Mittelmanagement, weil auf diese Position relativ viele konträre Erwartungen einstürmen. Also von Mitarbeitern, die bestimmte Erwartungen haben, wie, was möchte ich gerne inhaltlich tun, wie glaube ich, dass das Produkt am besten ist, dass ich entwickle, wie möchte ich mit anderen Teams zusammenarbeiten. Aber auch vom Top-Management, das sagt, folgende Prioritäten müssen so gemacht werden, das sind die KPIs.

Gestern habe ich mich entschieden, dass du doch B statt A zuerst machst und solche Sachen. Und das ist so ein Punkt. Je besser diese Erwartungen allein sind, was dafür spricht, dass ich ein System habe, das eben entsprechend lean ist und auf den Wertstrom ausgerichtet ist und relativ geradlinig ist, desto geringer ist der Druck auf diese Funktionen. Und je widersprüchlicher die Erwartungen sind. Das heißt, je weniger mein System tatsächlich auf Wertstiftung klar ausgerichtet ist und klar danach aufgestellt ist, desto höher ist dort der Druck. Und das ist auch ein Grund, warum wir in diesen Bereichen, also in Management-Positionen, die nicht Top-Management sind, so einen massiv höheren Anteil an psychischen Erkrankungen haben als bei Personen ohne Führungskraft und im Top-Management, weil die eben nicht in dieser Bandscheibe dazwischen sind.

Dierk

Ich stelle mir das immer so vor, es gibt irgendeinen Pfeiler, also dass irgendwo ein Pfeiler steht, der hält irgendetwas so. Der kann eine bestimmte Last tragen und der kann auch eine gewisse Art von Stößen aushalten. Dafür ist er gebaut. Also weiß ich jetzt nicht, vielleicht so eine Eisenbahnbrücke oder so. Aber wenn natürlich andauernd diese Stöße kommen, dann wird er vielleicht in seiner Art und Weise, in seiner Integrität beschädigt. Und wenn ich dann noch schwerere Züge drüberfahren lasse, also die Last erhöhe, dann bricht der Pfeiler zusammen. Das heißt, eigentlich sind da so ein paar Punkte, die zusammenspielen. Und das kann man, denke ich, auch sehr schön auf die Menschen übertragen, wenn man die Organisationsmitglieder darauf überträgt.

Carolin

Und man hat da eben auch vor allem als zentralen Punkt, wir haben immer die Vorstellung, wenn Menschen sagen oder Mitarbeiter sagen, es ist ihnen zu viel, aber man merkt keinen Unterschied. Weil wir sagen, mehr Belastung können wir eine ganze Zeit einfach durch mehr Arbeit, mehr Energie wie auch immer abfangen. Sprich, das was

Wir melden, nämlich es ist zu viel, das geht so nicht, das wird bald schiefgehen, passt nicht zu dem, was von deutlich weiter weg sichtbar ist, weiter weg ist sichtbar, läuft doch alles. Na, wir kriegen unsere Aufträge noch fertiggestellt, die Kunden sind noch zufrieden und so weiter. Und das ist genau diese gleiche Logik bei dem Pfeiler, der hält eine gewisse Zeit aus und der eine Punkt ist, lasse ich dauerhaft Sachen über ihn drüber fahren, die zu schwer sind, dann wird er irgendwann brechen oder muss er entsprechende Stöße/Schläge aushalten. Das ist das, was wir in den beschriebenen Beispielen eben haben, mit diesen unterschiedlichen Erwartungen, die an Menschen zerren und die wahnsinnig viel Kraft kosten. Dann passiert genau das Gleiche in beiden Fällen, nämlich dieser Pfeiler bricht plötzlich. Also der hat genau den Status, er funktioniert und er funktioniert nicht. Das ist kein Übergang, der kippt nicht.

ein Jahr lang langsam, sodass man es sehen könnte, sondern der bricht einfach durch. Und das ist das, was wir in den Organisationen auch sehen. Wenn wir sagen, wir sind dann im Bereich psychischer Erkrankungen, Burnout, innere Kündigung, wir sehen das von außen relativ lange nicht. Und wenn wir es merken, ist es in der Regel zu spät. Ja, und deswegen sind wir da in beiden Fällen quasi überrascht, was da passiert ist.

Dierk

Stimmt. Ja, ganz überrascht.

Vielleicht hat man so einen kleinen Frühindikator, also eine Führungskraft merkt irgendetwas oder wie auch immer. Ich merke der Pfeiler, der wackelt sozusagen. Da haben wir ein Problem. Was würdest du auf eine solche Situation empfehlen?

Carolin

Ich würde für die Organisation empfehlen, den Druck auf die Mitglieder zu reduzieren. Und Druck ist ja dieses Gefühl, es ist zu viel. Kommt ja daher, dass ich mit meinen aktuellen Ressourcen das Gefühl habe, die Erwartungen, die an mich gestellt werden, nicht bewältigen zu können. Und das kann ich als Organisation deutlich begünstigen, indem ich diese Erwartungen eben in irgendeiner Form alleine und wirklich klar und transparent mache. Weil vielleicht sind die ja gar nicht so viele oder vielleicht ist es tatsächlich nicht möglich, folgende drei konfliktären Ziele gleichzeitig zu erreichen. Das heißt, wenn ich als Organisation eine wirklich klare Zielvorgabe habe, klare Prioritätensätze, einen klaren Fokus habe und das auch von meinen Mitgliedern einfordere, dann reduziere ich damit den Druck, der auf den Einzelnen liegt, weil ich auch nicht mehr dieses Konfliktäre, ich muss zwischen meinen Mitarbeitenden und den anderen Führungskräften über mir mehr als nötig vermitteln.

Kennst du bestimmt auch aus entsprechenden Organisationen, dass immer wieder Mitarbeiter kommen und sagen, das macht doch alles keinen Sinn. Warum wollen die, dass wir X machen, wenn sie doch eigentlich sagen, auf der anderen Seite sollen wir Y tun. Und solche Sachen lösen entsprechenden Stress aus, die kosten Kraft, damit umzugehen und gleichzeitig die Loyalität zu keiner Seite zu verletzen.

Ich möchte als Führungskraft weder meinen Mitarbeitenden das Gefühl geben, dass ich sie nicht ernst nehme und dass sie einfach das machen sollen, was man ihnen sagt. Ich kann aber bei meinen Mitarbeitenden auch nicht sagen, dass ich der Meinung bin, der CTO weiß nicht, was er tut. Ich muss ja irgendwie da auch eine entsprechende Kommunikation aufrechterhalten und dass sowas muss ich ja machen, weil ich quasi die Schwächen des Systems damit irgendwie überdecke. Und wenn ich mein System so aufbaue, dass das gar nicht mehr nötig ist, weil es einfach tatsächlich Sinn macht, was die Ansagen sind und weil die nicht mehr konfliktär sind, sondern weil die abgestimmt sind, fällt dieser ganze Druck weg. Das kann ich als Organisation tun, ist aber auch das Schwierigste, das zu verstehen und das bewusst zu machen.

Auf individueller Ebene würde ich als allererstes schauen, wenn ich das Gefühl habe, das ist zu viel, wie weit bin ich denn schon im Burnout? Das ist ja auch was, was schleichend geht, was sehr viel damit zu tun hat, dass ich Erwartungen an mich gestellt fühle oder für mich internalisiere, die ich erfüllen möchte und dass ich dafür Stückchenweise über meine Grenzen gehe. Und was wir da haben auf dem Weg, das ganz typische ist eine sehr zynische, sarkastische Haltung gegenüber der Arbeit. Wenn ich sowas bei mir bemerke, sollte ich sofort den Druck auf mich selber reduzieren, sei es erstmal Urlaub nehmen, um Abstand zu gewinnen, sei es wirklich zu hinterfragen, was sind denn die Erwartungen, die ich an mich stelle, die das Unternehmen an mich stellt, was davon möchte ich wirklich annehmen, um mit dem eigenen, meine eigenen Erwartungen so managen, dass ich das Gefühl habe, ja, die kann ich wieder erfüllen. Aber das Thema ist vermutlich eine eigene Podcast-Folge.

Dierk

Ja, wahrscheinlich insbesondere. Ich würde es nochmal ergänzen, denn das, was du gerade gesagt hast, auf der individuellen Ebene. Da würde ich aus eigener Erfahrung auch sagen, das ist eine sehr, ich sag mal, nette Vorstellung, dass man das bemerkt, dass man in Burnout geht.

Und ich glaube, da sind Männer wie Frauen gleich, dass sie einfach sagen, also naja, das passiert nur den anderen, mir passiert das nicht. Und deswegen glaube ich, da ist es wichtig, eben entweder ein Team zu haben, was darauf achtet. Auch da könnte es halt schwierig sein, aber auf jeden Fall sagen, es ist auch Aufgabe der Führungskraft, darauf zu achten, dass Menschen eben nicht in diesen Burnout gehen, dass man rechtzeitig eben bremst.

Und das, was du gesagt hast, mit den klaren Zielen würde ich unterstreichen oder klare Prioritäten, habe ich jetzt lange Zeit nicht mehr erlebt. Aber ich weiß noch so vor fünf, sechs Jahren, als es an vielen Stellen um das Thema Scrum Teams ging und agiles Arbeiten, dass dann ein Punkt ist, dass die Teams selber bestimmen, was sie sich vornehmen. Commitment.

so und dann kommt trotzdem immer noch top manager und sagen naja das wir machen agil aber das ist jetzt ganz wichtig das müsste jetzt mal für mich machen oder das ist also dass sie eben über priorisieren wenn ich an meinen anderen kunden denke also das ist so auch ein sehr schönes beispiel und da braucht man dann eben sozusagen wieder Organisationsentwicklung, ich komme wieder auf den Titel zurück, die das eben aufdeckt und die auch klar macht, dass man da irgendwas sozusagen nachjustieren muss, dass man darauf achten muss, etwas zu tun.

Ich habe vorhin schon eine Frage geteasert, die für mich wichtig ist und zwar, weil ich diese Frage schon mal vor einigen Folgen gesprochen habe, ist noch gar nicht so alt. Gibt es deiner Meinung nach Branchen oder Unternehmensgrößen, die sich für dieses Konzept besonders eignen oder eben genau nicht? Also würdest du auch sagen, du wüsste Branchen, Unternehmensgrößen schließen sich aus. Denn ich habe in der Folge 29 im März mit Ralf Mackowiak und Verena Hain von arineo genau über so ein Thema gesprochen, nämlich über die kollegiale Organisation bei arineo. Und da habe ich die auch gefragt, wie könnt ihr das denn sozusagen übertragen? Oder kann man das auf alle Unternehmen, auf alle Organisation übertragen? Also Frage an dich, gibt es auch Wunschbranchen, Wunschgrößen oder gibt es auch No-Go-Größen und No-Go-Branchen?

Carolin

grundsätzliche Ausrichtung am Wert, was ja dahinter steht und dieser dieser Liengedanke, nämlich Dinge einfach nicht zu machen, die auch keinen Wert stiften. Das ist was, was meiner Ansicht nach für jede Größe und für jede Branche funktioniert. Bei kleineren Unternehmen, also bis 25, 30 Leute, vielleicht auch noch bis 50, brauche ich mir deutlich weniger Gedanken machen, weil ich einfach noch mehr mitbekomme tatsächlich davon. Also ich würde sagen, 20, 25 ist eine Größenordnung, wo ich ohne definierte Prozesse vermutlich noch ziemlich gut auskomme und ohne irgendwie klare, hier genau ist der Rahmen, in dem ich entscheiden dürfte, weil, wenn ausreichender Kontakt da ist, viel mehr gemeinsames Bewusstsein entsteht.

Je größer mein Unternehmen wird, desto weniger kann ich ein gemeinsames Bewusstsein haben, weil ich mit den meisten Menschen ja gar nicht mehr im Kontakt bin. Und ich glaube, dass wir irgendwann sicher auch eine Unternehmensgröße erreicht haben, wo es brutal schwierig ist, über Ziele zu führen, ohne das Ganze dann irgendwie als Management by Objectives über irgendwelche kaskadierenden Projektstrukturpläne zu machen, weil es dann extrem schwer ist, bei einem globalen Konzern für jeden einzelnen Mitarbeitenden noch nachzuvollziehen, was genau der Vorstand eigentlich möchte und was der eigene Beitrag dazu ist. Also je größer die Distanz vom eigenen Beitrag zu einem Ziel ist, desto schwieriger ist es auch, darüber zu führen.

Und ich kann das ganze Thema mit selbstentscheidenden Teams und so weiter natürlich nur dann machen, wenn meine Branche das insofern hergibt, dass sie halt nicht beispielsweise stark reguliert ist.

Das ist ganz einfaches Beispiel, Finanzbranche. Ich kann meine Teams nicht selber entscheiden lassen, welche Kriterien sie zur Kreditvergabe heranziehen oder nicht. Das heißt, da muss ich dann tatsächlich schauen, was macht Sinn für mich da drin anzugehen oder was nicht. Aber die Grundlogik zu sagen, ich orientiere mich am Wert. Ich versuche Bottlenecks zu identifizieren. Ich achte darauf, dass ich in keinem Bereich eine Auslastung von größer als 80 Prozent habe.

Und wenn ich merke, Sachen gehen nicht mehr weiter, dann nehme ich Projekte raus statt, neue Leute oder neue Projekte rein und reduziere die Arbeit im System und komme erst mal wieder da rein, Sachen fertig zu machen. Stop Starting, Start Finishing. Und wenn ich das wieder habe, dann baue ich wieder auf. Ich glaube, das ist völlig unabhängig, ob ich das als Soloselbstständiger oder als Milliardenkonzern mache.

Dierk

Also bei deinem Hinweis mit den regulierten Branchen würde ich definitiv zustimmen. Ich höre das auch an manchen Stellen, dass Gesetze beispielsweise mit einem positiven Ziel so kompliziert verfasst werden. Man macht sich bei der Formulierung der Gesetze keine Gedanken, wie das umgesetzt werden kann. Im schlimmsten Fall wird einfach eine neue Behörde gegründet. Das war jetzt vielleicht ein ganz bisschen ironisch und sarkastisch. Aber trotzdem, bei einem Unternehmen höre ich eben, es ist alles wunderschön, das können wir zwar machen, aber schlussendlich müssen wir Gesetze umsetzen.

Und insbesondere wenn ich in der Verwaltung bin, in der öffentlichen Verwaltung, muss ich Gesetze umsetzen und die sind nicht immer dazu gemacht, dass sie umsetzungsfreundlich sind. Also das nur noch mal als Ergänzung zu dem, was du gerade gesagt hast. Eine Frage habe ich noch.

Lass uns mal in die Glaskugel gucken. Wie siehst du die Zukunft der Arbeitswelt im Bezug auf das von dir vertretene Konzept, auf das, was wir die ganze Zeit jetzt hier besprochen haben, also Organisationsentwicklung, Selbstorganisationen und agile Strukturen oder Arbeitsweisen? Also wo denkst du, wird sich das hin entwickeln, weil der Druck, der nimmt ja zu und der Druck führt ja sehr häufig dazu, dass man eben genau das nicht macht, was du eigentlich angesprochen hast. Also guck mal in die Glaskugel.

Carolin

Ich glaube, dass das, was wir jetzt schon in Teilen beobachten, deutlich weitergehen wird, nämlich, dass die Unternehmen, die neu gegründet werden und sehr groß, sehr erfolgreich dabei sind, völlig anders aufgebaut sind als die klassischen Unternehmen. Das heißt, wir werden einen größeren Bruch sehen zwischen Traditionsunternehmen, den Erwartungen auch der zukünftigen ArbeitnehmerInnen zu entsprechen beziehungsweise in dieser schnell, ausreichend schnell die Entscheidungen treffen zu können, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das ist ja so ein ganz, ganz zentraler Punkt. Also kann ich innerhalb von einer halben Stunde ein Angebot rausschicken oder von fünf Minuten oder brauche ich eine Woche dazu? Allein das wird in Zukunft noch mal deutlich entscheidender sein, weil insgesamt mehr Erwartungen an schnelle Reaktionen, schnelle Entscheidungen gestellt werden.

Und wir sehen dort auch bei diesen Unternehmen einen deutlich, überall einen relativ klaren Fokus auf Business Agility. Also es geht weniger um, wir haben Scrum Teams, auch da diese Horrormeldungen, alle Scrum Master oder Agile Coaches werden entlassen, also ist Scrum tot, heißt ja möglicherweise auch tatsächlich nur, dass sie die Funktion irgendwo anders integriert haben. Das heißt ja nicht, dass ich nicht mehr schaue, wie ich meine Prozesse besser machen kann. Aber das zentrale Punkt ist tatsächlich die Business Agility. Also wie kann ich mein Geschäftsmodell möglichst schnell den Gegebenheiten anpassen? Und dazu brauche ich natürlich nachgelagert auch Teams, die entsprechend agil sind und das mit umsetzen können.

Ich glaube, in die Richtung wird sich sehr, sehr, sehr stark entwickeln. Wir brauchen gerade in Europa, in Deutschland, auch bei den Traditionsunternehmen eine starke Bewegung dahin, weil das eine ganz enge Kollaboration ermöglicht und damit ein wahnsinniger Vorteil gegenüber billig produzierenden Unternehmen aus Fernost ist. Das heißt, wenn ich die Wahl habe, ob ich aus China was sehr billig kriege, aber entsprechend darauf warten muss, und entsprechend auch Vorlaufzeiten habe für irgendwelche Änderungen oder Schwierigkeiten, wenn ich nachträglich noch Änderungen habe bei irgendwelchen Halbzeugen oder Vorprodukten, die ich bestelle oder brauche. Im Gegensatz dazu aber, in Deutschland ein teureres Unternehmen habe, das mir innerhalb von Stunden reagiert auf veränderte Produktionsanforderungen das extrem schnell lieferfähig ist, dann ist das das, wo ich glaube ich sehe, dass wir rein aus dem, was der Wettbewerbsdruck macht, einen ganz großen Zwang haben und ich glaube, wenn die ersten das verstehen und bewusst umsetzen, dann wird sich da extrem viel tun.

Dierk

Sehr schön. Das war doch schon eine gute Glaskugel. Also es war für mich nachvollziehbar. Und was ich auch mal so schön finde, ist, wenn Menschen wie du aus der Produktion auch mit Beispielen und mit einem Wortschatz kommen und wir nicht nur diese agile Softwareentwicklung haben. Sehr schön.

Carolin, das war sozusagen meine letzte fachliche Frage. Und ich mache zum Abschluss immer die Frage oder biete meinen Gästen die Möglichkeit, nochmal so ein Statement abzusetzen, so ein paar zusammenfassende Worte zu sagen oder einfach nochmal ein paar Tipps zu geben. Also so ein paar abschließende Worte von dir. Da würde ich mich darüber freuen.

Carolin

Meine abschließenden Worte. Es gibt keine perfekte Organisation. Das muss es aber auch nicht, sondern was wir brauchen ist das Bewusstsein dafür, dass wir nicht wissen, was morgen ist, dass wir uns aber so aufstellen, dass wir damit im Zweifelsfall gut umgehen können. Und mein Motto dabei ist, am Ende ist immer alles gut und wenn es nicht gut ist, ist es auch nicht das Ende.

Dierk

Das finde ich gut. Da habe ich nichts hinzuzufügen. Ich sage vielen Dank, Carolin, für deine Zeit, für deine Beispiele und ich wünsche dir noch einen schönen Tag. Vielen Dank.

Carolin

Dankeschön, Dierk!

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