Verändern ohne Bewahren?

Titelbild Podcast Business Akupunktur

Edgar Rodehack über Keep Management

Bewahren heißt, dass wir das System davor bewahren, in existenzielle Nöte zu geraten.

Edgar Rodehack über Wandel in Organisationen

Organisationen sind keine Maschinen, sondern Organismen, die einen anderen Umgang mit Wandel benötigen.

Edgar Rodehack über Illusionen der Veränderung

Die Illusion der Veränderung entsteht oft durch oberflächliche Anpassungen, während die grundlegenden Arbeitsweisen gleichbleiben.

Edgar Rodehack über Dialog in Veränderungen

Veränderungen müssen im Dialog erfolgen, nicht als Einbahnstraße von oben nach unten. […] Es ist entscheidend, den Menschen die Dringlichkeit zur Veränderung nachvollziehbar zu machen.

Edgar Rodehack über Veränderung und Bewahren

Wir müssen uns mehr Zeit geben, um zu klären, was funktioniert und was wir neu lernen müssen.

Zusammenfassung

In dieser spannenden Episode begrüße ich Edgar Rodehack, einen erfahrenen Organisationsberater und Team-Entwickler. Gemeinsam tauchen wir in die faszinierende Welt des Change Managements und Keep Managements ein. Edgar teilt seine wertvollen Erkenntnisse darüber, wie Unternehmen Veränderungen erfolgreich umsetzen können, ohne dabei bewährte Strukturen zu vernachlässigen.
Mit seiner langjährigen Erfahrung aus der Verlags- und IT-Welt bringt Edgar frische Perspektiven in unsere Diskussion ein. Er erklärt anschaulich, warum der Begriff „Keep Management“ zunächst skurril erscheinen mag, aber dennoch eine wichtige Rolle in modernen Organisationen spielt. Seine Einsichten werden dich überraschen und zum Nachdenken anregen.
Edgar betont die Bedeutung eines ausgewogenen Ansatzes zwischen Veränderung und Bewahrung. Er zeigt auf, wie Unternehmen von einem dialogorientierten Prozess profitieren können, der sowohl die Notwendigkeit des Wandels als auch den Wert bestehender Stärken berücksichtigt. Diese Episode bietet dir wertvolle Impulse, um Veränderungsprozesse in deinem Unternehmen neu zu denken und erfolgreich zu gestalten.

Transkript der Episode

Dierk

Herzlich willkommen zur 38. Episode des Podcast Business Akupunktur mit dem Titel „Verändern ohne zu bewahren?“. Da waren Fragezeichen für die, die es nicht gehört haben. Und insofern geht es heute um die Frage, „Wie können wir verändern ohne zu bewahren oder mit zu bewahren“? Also diese beiden gefühlten Gegensätze, die werden wir klären.

Ich hoffe, dass wir sie klären. Zumindest werden wir sie besprechen. Ich freue mich auf dieses Thema und meinen Gast Edgar Rodehack. Das Thema der Podcast Episode aus dem Oktober war ja Keep Management, die andere Seite von Change. Und mich hat dieses Thema, haben diese Gedanken aus der Oktober-Episode von Horst Lempart, die haben mich bewegt. Und deswegen habe ich kompetente Gesprächspartner gesucht, um das aus verschiedenen Perspektiven zu beleuchten. In der letzten Episode hatte ich Jörn Ehrlich zu Gast. Das war ein sehr interessantes Gespräch mit vielen hilfreichen und interessanten Ansichten aus seiner systemischen Sicht zu Keepmanagement.

Ja und heute möchte ich diese Reihe fortsetzen mit Edgar Rodehack, der uns bestimmt viele praktische Erlebnisse berichten und das Ganze auch fundiert mit Theorie absichern kann. Kleiner Ausblick, ich habe zu dem Thema zwei weitere Gäste, also insofern, wer das interessant findet, darf gerne weiter zuhören bei diesen Podcast-Episoden.

Edgar ist Organisationsberater, Team-Entwickler, Coach und Projektleiter, der leidenschaftlich gerne in und für Teams arbeitet. Beruflich entstammt er der Verlags- und IT-Welt, heute arbeitet er branchenübergreifend. Edgar unterstützt Unternehmen, Teams und einzelne Menschen dabei, erfolgreicher, besser und zufriedener zu werden bei dem, was sie erreichen möchten und wie sie das tun. Mir hat diese Beschreibung natürlich sofort zugesagt, denn sie passt sehr gut zu meiner Einstellung und zu meiner Mission.

Hallo Edgar, herzlich willkommen und vielen Dank für deine Zeit. Habe ich bei deiner Vorstellung irgendetwas vergessen?

Edgar Rodehack

Nein, vielen Dank und auch Hallo von meiner Seite. Danke, dass ich da sein darf, Dierk.

Dierk

Sehr schön. Ja, dann lass uns loslegen. Wir hatten eben schon im Vorgespräch, haben wir schon die Bremse ziehen müssen, weil sonst hätten wir die Podcasts Aufnahme heute gar nicht machen können. Das wird bestimmt ein tolles Gespräch. Meinen Gästen stelle ich zum Einstieg immer die Frage Was hast du gedacht, als du zum ersten Mal diesen Titel Business Akkupunktur gehört hast?

Edgar Rodehack

Also mir gefällt der Titel sehr, sehr gut und gedacht habe ich mir, ja, es kommt auch sehr nah an das dran, was ich beruflich mache. Ich vergleiche mich immer so ein bisschen mit einem Hubschrauberpilot, der gerufen wird. Dann komme ich mal gerade, wirke und dann bin ich aber auch schon bald wieder weg. Ich habe den Impuls gesetzt, so wie ein Akupunkteur sozusagen die Nadel setzt, hoffentlich den richtigen Impuls, um die Dinge dann wieder in den Flow zu bringen und sie dort hin zu bekommen, wo sie hingehören. Und dann bin ich aber schon wieder weg. Also von daher resoniert das auch ganz gut mit meiner eigenen Arbeit.

Dierk

Cool, sehr schön. Ich habe ja gesagt, wir sprechen über Keep Management, wir sprechen über Bewahren. Mir ist wichtig, dass wir nicht, also beim Keep-Management aus meiner Sicht, dass wir nicht darüber sprechen, dass wir etwas verhindern wollen. Also wir, Edgar und ich, sind beide der Meinung, dass wir Veränderung brauchen. Teilweise können wir sie gar nicht verhindern, also müssen wir verändern. Aber die Frage ist eben, wie kann man dafür sorgen, dass Dinge, die wichtig sind, die in der Vergangenheit gut waren, wie wir die bewahren können. Deswegen Keep Management. Lass uns mal einsteigen Edgar, was verstehst du denn unter dem Begriff Keep Management?

Edgar Rodehack

Ja, was verstehe ich unter dem Begriff Keepmanagement? Ich habe da ehrlich gesagt wenig Vorstellungen, weil ja als Begriff, als Sache, wenn man das so das erste Mal hört, und so ging es mir zumindest, mir gedacht habe, das ist skurril, weil man muss das Bewahren nicht managen, so aus systemischer und vor allen Dingen auch systemtheoretischer Sicht wissen wir ja, dass Systeme nicht nur dazu neigen, die Dinge zu erhalten oder vor allen Dingen sich selbst zu erhalten, sondern dass es ihr oberster Auftrag ist. Da muss man sich eigentlich gar nicht drum kümmern, weil man weiß, Systeme tun das sowieso. Also insofern ist Keep-Management für mich ein skurriler Begriff, aber natürlich, also mit dieser Vorrede vielleicht auch irgendwie verständlich, klar, ist einfach Teil der Arbeit, die wir haben, wenn wir auch Veränderungen denken. Es ist ein Phänomen, das wir einfach mit bedenken müssen. Und wenn das unter Keep-Management verstanden wird, bin ich auch vollkommen d’accord damit, muss ich sagen.

Dierk

Jawohl. Und aus meiner Sicht ist das eben jetzt gerade so wichtig. Ist das aus deiner Sicht jetzt auch wichtig oder war es immer schon wichtig? Also wieso dein Eindruck zum Zeitgefühl, nenne ich das vielleicht mal so.

Edgar Rodehack

Naja, also Veränderung und Veränderungsdringlichkeit hat es ja eigentlich schon immer gegeben. Und die Art und Weise, wie wir damit umgegangen sind, ist natürlich, also in der Vergangenheit, ich sage jetzt mal im 20. Jahrhundert allgemein, war natürlich, dass man das tatsächlich den Managern überlassen hat oder hauptsächlich den Managern überlassen hat. Das war alles recht zwanghaft. So habe es ich zumindest empfunden.

Es wurde eine Notwendigkeit zum Wandel gesehen und dann wurde die Organisation damit konfrontiert und dann wurden die Mittel eingesetzt, um den Wandel zu gestalten. Keine Ahnung, dass man Prozesse anerhebt, dass man sie modelliert, dass man sie dann wieder zurückimplementiert, sozusagen.

Und da merke ich schon im Zeitverlauf jetzt ein bisschen eine Veränderung. Ich glaube, da findet schon ein Umdenken statt und eine Erkenntnis macht sich breit, dass es so maschinenhaft und technokratisch einfach nicht geht. Ich habe den Eindruck, dass Menschen jetzt immer mehr verstehen, dass Organisationen eben keine Maschinen sind, wo man so vorgehen kann, sondern eben Organismen, wo man dieses Bewahren und den Wandel eben anders mit einbeziehen muss, als es noch im 20. Jahrhundert der Fall war.

 

Dierk

Ich fand es interessant, weil du ja vorhin schon sagtest, dass Systemiker dazu neigen, sich zu bewahren. Das ist ja die Grundaufgabe so gesehen. Und wenn ich so zurückdenke, dann habe ich viele Reorganisationen miterlebt. Dann wurden Posten verändert, Titel haben sich verändert, ein Organigramm hat sich verändert. Aber wenn ich jetzt mal böse bin oder systemisch argumentiere, die Menschen haben weitergearbeitet wie vorher. Das ist wahrscheinlich auch deine Sicht darauf.

Edgar Rodehack

Ja, wobei, genau, sehe ich auch so. Aber wenn du sagst weitergearbeitet wie vorher, die Umstände hatten sich dann natürlich schon geändert. Also die Abteilung hatte einen anderen Namen, man hatte vielleicht einen anderen Arbeitsplatz, man hatte auch vielleicht eine andere Teamzusammenstellung. Aber die grundsätzliche Herangehensweise des Arbeitens hat sich nicht oder nicht wesentlich verändert gehabt. Das ist für mich wichtig zu erkennen. Weil dadurch entsteht so eine gewisse Illusion der Veränderung.

Man hat sich verändert und man hat vielleicht auch in den Arbeitsabläufen geringfügig etwas verändert, aber eben nicht so viel, wie man eigentlich wollte oder vielleicht wie es auch nötig gewesen wäre. Und das ist etwas, was vielleicht noch in so stabileren Umfeldern noch funktioniert hat, weil man dann eben trotzdem noch ganz ordentlich Ergebnisse hat einfahren können.

Ich habe die Vermutung, dass wir heute anders auch über Wandel und Bewahren sprechen, weil eben die Umstände sehr viel dynamischer sind und wir eben mit dieser Art von Veränderung einfach keinen Blumentopf mehr gewinnen können.

Dierk

Ja, jetzt kommen wir zum Thema Change Management. Also wir brauchen Veränderung. Und ich habe ja zu Beginn bewusst darauf hingewiesen, dass Keep Management nicht heißt, bewahren um des Bewahrens willen und schon gar nicht, um Change Management zu torpedieren. Kannst du mal so ein bisschen versuchen, deine Meinung zu sagen, wie wir beide Ansätze kombinieren könnten? Also wie können wir das sinnvoll kombinieren?

Edgar Rodehack

Also für mich muss man das gar nicht kombinieren, weil das schon kombiniert ist, weil bewahren bedeutet ja nicht festhalten am Alten unbedingt, sondern bewahren heißt ja, dass wir das System davor bewahren, dass es in existenzielle Nöte kommt. Und selbst Menschen, also so muss ich anfangen, da gibt es natürlich Menschen, die eine Dringlichkeit früher spüren und sehen als andere. Und dieser Widerstreit, der sich dann auch in Organisationen ergibt, also diese Erkenntnis auf der einen Seite, dass ein Wandel ansteht und dass man sich darauf vorbereiten muss, und diejenigen, die sozusagen im Maschinenraum sind und dafür sorgen, dass der Laden läuft, dieser Widerstreit, dieser Dialog, der da stattfinden muss, das ist für mich bewahren. Und das habt ihr ja auch in der Episode, mit Horst Lempart rausgearbeitet. Diese zwei Dinge gehören einfach zusammen. Und im heutigen Change-Management, der Aspekt von dem, was wir bislang gemacht haben, müssen wir vielleicht sogar auch beibehalten, um uns einfach nicht zu gefährden in unserem bewahrenden System aus meiner Sicht ein bisschen mehr in den Vordergrund rücken und man müsste sich einfach mehr Zeit geben als Organisation, um eben genau diese Frage zu klären, was davon, was wir bislang gemacht haben, funktioniert auch noch gut und wird auch noch in der Zukunft funktionieren und was müssen wir Neues dazu lernen vielleicht oder einfach ganz ändern oder abstellen.

Dierk

Ja, okay. Da waren so ganz viele Punkte drin. Ich hoffe mal, dass ich auf ein paar Sachen jetzt auch eingehen kann. Also das erste Mal sehe ich die Problematik. Du wahrscheinlich auch. Wir brauchen Zeit und die Zeit haben wir ja nicht. Also wir haben ja eigentlich immer weniger Zeit für diese Veränderungen. Das heißt, Veränderungen werden immer aus meiner Sicht, ich sag mal, professioneller vorbereitet und kommuniziert. Aber sie lösen damit nicht das Grundproblem, was wir eben rausgearbeitet hatten, was du gesagt hast. Siehst du das auch so? Und kann man da was dagegen tun?

Edgar Rodehack

Ja, also ich weiß gar nicht, ob die Annahmen, die du getroffen hast, wirklich so belastbar sind, sag ich jetzt mal zufällig. Also der Punkt ist ja, also haben wir wirklich die Zeit nicht, ist die Frage. Oder wie viel Zeit haben wir dafür? Also diese Frage wird ja gar nicht gestellt oft, sondern oft wird ja vom Management ein Veränderungsauftrag gegeben an die Organisation. Und da wird natürlich oft gesagt, wir müssen das jetzt schnell machen. Und oft wird dann eben auch die Angstkulisse aufgezogen, wenn wir das nicht tun, dann passiert dies und jenes. Und das weiß ich nicht, ob das immer auch richtig ist, weil oft, also überhaupt auch die Richtung, weil oft ist ja auch in der Organisation bekannt, dass es Veränderungen geben muss.

Nur ist die Organisation gehemmt, weil sie oft auch die strukturelle Macht nicht haben, solche Veränderungsdinge anzustoßen. Also dieser ganze Komplex ist relativ anspruchsvoll, sich anzuschauen. Zweitens will ich schon ein Fragezeichen dahinter setzen, was du gesagt hast, dass sie wirklich professionell kommuniziert werden oder wenn sie kommuniziert werden, dann ist es eben oft eine Einbahnstraße. Und genau das ist der Fehler aus meiner Sicht, weil Veränderungen aus meiner Sicht eben nur im Zusammenspiel im Dialog sozusagen erfolgen kann, weil es

Es geht ja genau darum herauszufinden, also überhaupt mal den Menschen die Möglichkeit zu geben, nachzuvollziehen, dass es eine Dringlichkeit zur Veränderung gibt und warum das so ist, um sich dann der Frage zuzuwenden, wenn das so ist, wenn wir jetzt ein Verständnis haben dafür, dass es eine Veränderung geben muss, wie sie vollzogen werden muss. Und da hast du natürlich Recht. Das kann ein langwieriger Prozess sein, der allerdings aus meiner Sicht oft dadurch noch verzögert wird, dass Menschen in den Widerstand gebracht werden, alleine deswegen, weil so auf die Tube gedrückt wird und den Menschen eben genau diese Möglichkeit nicht gegeben wird, nachzuvollziehen, warum diese Dringlichkeit zur Veränderung überhaupt besteht.

Dierk

Ja, das heißt, eine erste Aufgabe von Keep-Management, wenn wir das jetzt mal so als eine Überschrift drüber packen, wäre ja eigentlich zu sagen, stopp, also lass uns einen Zeitplan machen, also einen realistischen Zeitplan und lass uns dann überlegen, was können wir bewahren, also was sollten wir, also im Prinzip eine Art Ist-Aufnahme zu machen, eine professionelle Ist-Aufnahme, weil das ist ja auch ein anderer Punkt, den ich wahrnehme. Das Ziel ist schon festgegeben. Also es wird gar nicht darüber diskutiert, wo wir stehen, sondern es ist ein Ziel da. Also wir wollen agil werden, wie auch immer. Wir wollen in Teams gehen, was auch immer da transformiert wird. Also insofern, du hast gesagt, erste Frage, die du in Frage stellst, wird es vernünftig Zeit geplant?

Edgar Rodehack

Ja, genau, das ist richtig und das Ganze als Prozess zu verstehen, so würde ich das sagen.

Dierk

Eher mit einem Fragezeichen, dann ist die Frage, wie professionell wird es kommuniziert, auch da ist ein Fragezeichen dran gesetzt und dann wäre ja der nächste Punkt, wie gesagt, wo stehen wir überhaupt?

Edgar Rodehack

Viel von dem, was in Veränderungsprozessen passiert, auch weniger Gutes sei jetzt mal, stammt aus meiner Sicht daher, dass wir eine maschinenhafte Sicht auf die Welt haben. Dass wir eben denken, Organisationen funktionieren wie ein Kaffeeautomat. Da muss man einfach nur den Bauplan ein bisschen ändern, dann kommt da ein bisschen anderer Kaffee raus sozusagen. Und so funktionieren einfach Organismen nicht. Und witzigerweise wissen wir das ja schon seit Hunderten von Jahren fast schon.

Und diese Erkenntnis kommt eben jetzt immer häufiger zum Tragen, Gott sei Dank. Dass man eben sagt, wir geben kein Ziel mehr vor, vielleicht ein Zielbereich, das ist schon mal besser, weil wenn man ein Ziel vorgibt, das ist ja dieses zwanghafte Element, von dem ich ja auch vorhin sprach, da kommt eben das Management und sagt, dieses Ziel ist sinnvoll. Und es mag ja sein, dass es für das Management sinnvoll ist. Aber für die Organisation nicht oder zumindest nicht im ersten Moment, weil sie gar keine Zeit hatten, nachzuvollziehen, warum das ein sinnvolles Ziel für die Organisation sein soll. Und das ist es, was ich meine. Ich weiß nicht, ob wir mit den Mitteln des zwanghaften Managements, sage ich jetzt mal, da wirklich auch systemisch sinnvoll vorgehen können. Daher kommt es ja, dass die agile Welle über uns hereingeschwappt ist. Das ist ja der Vorteil davon, dass wir sagen, lass uns mal den Buntstermin formulieren. Vielleicht möglichst realistisch auch, aber lasst uns bitte im Hinterkopf bewahren, dass es eben kein, das ist kein, es ist ein Moving Target auf gut Deutsch. Und eben im Veränderungsprozess müssen wir ständig uns eben überprüfen, sind wir da, hat es jeder verstanden oder wie hat es jeder verstanden, diese Dringlichkeit hat, wie hat jeder dieses Ziel oder den Zielbereich verstanden und wie gehen wir es an. Das ist, was was aus meiner Sicht wichtig ist. Und das ist schon ein bisschen was anderes als eine Bestandsaufnahme zu machen und einen Zeitplan zu machen. Das hört sich für mich so ein bisschen an wie so dieses klassische, ich will es nicht unbedingt sagen, aber schon klassisches Wasserfallmanagement. Das würde ich sagen, es ist naheliegend, dass wir so agieren, aber es ist nicht unbedingt das, was wirklich auch hilfreich ist.

Dierk

Ja, du hast gesagt, dass es eine Wahrnehmung ist, dass das mehr ankommt. Also das Unternehmen, also ich sage es mal ganz allgemein Unternehmen, das Verantwortliche in Unternehmen verstehen. Es geht nicht so einfach, also nicht so maschinistisch und ich erinnere mich dann immer an meine DevOps Trainings. Also DevOps als Kulminationspunkt zwischen Agilität und traditionell. Und das waren zwei Tagesschulungen. Und nach dem ersten halben Tag kamen dann die Teilnehmenden und sagten, das haben wir schon mal gemacht.

Das haben wir vor 15 Jahren schon mal gemacht. Und dann habe ich das erste Mal gehört, habe ich gesagt, okay, habe mich darauf eingelassen. Und ich war danach immer darauf vorbereitet. Und ich fand es einfach interessant. Und habe dann hoffentlich auch gut erklärt, warum sich doch Dinge ein bisschen verändert haben. Also es war nicht genauso wie vor 15 Jahren. Aber so eine Erkenntnis, das haben wir schon mal gemacht, ist natürlich in dem Moment dann auch doppelt frustrierend für solche Teilnehmenden. Weil sie auf der einen Seite eben damals gut gearbeitet haben. Dann wurde es verändert, ohne uns zu fragen, ohne uns einzubeziehen. Wir haben ja gesagt, keiner hat uns gehört. Und jetzt sollen wir doch wieder so machen wie damals.

Edgar Rodehack

Ja, auch das ist sehr typisch. Wenn das meine Teilnehmer gewesen wären, dann hätte ich gesagt, das war gut, was da gewesen ist. Das sehe ich alleine daran, dass ihr noch da seid und dass ihr in einer Organisation arbeitet, die nicht untergegangen ist.

Es war halt eine Lernschleife, die ihr gedreht habt. Und jetzt steht ihr an einem ähnlichen Punkt und könnt das, was ihr schon mal ausprobiert habt, in einem anderen Setting nochmal anders ausprobieren. Und das ist definitiv positiv zu bewerten, aus meiner Sicht. Das ist klar, man kann sagen, das ist frustrierend, jetzt machen wir denselben Scheiß nochmal.

Aber im Prinzip ist es eine gute Lernerfahrung, die da ansteht. Und das würde ich hervorheben in so einem Fall.

Dierk

Ja, ich denke auch, dass ich das gemacht habe. Aber jetzt müsste ich mal selber meine Arbeit reflektieren. Aber wir haben ja beide auch festgestellt, dass wir die Liefernehmung haben. Du hast vorhin vom Maschinenraum gesprochen und das finde ich so toll, weil ich auch immer wieder sage, ich bin am liebsten im Maschinenraum. Also weil ich glaube, da macht es mir am meisten Spaß.

Und viele Menschen sehen nach meiner oder nicht sehen, leiden nach meiner Meinung, unter so einer Art Veränderungsüberforderung. Sie kommen zu schnell, diese Veränderungen. Man hat die eine gerade sozusagen verarbeitet, dann kommt die nächste, also Stichwort Stapelkrisen oder was es da auch immer für tolle Begriffe dazu gibt. Wir haben darüber gesprochen, dass sie vielleicht professioneller kommuniziert werden könnten, professioneller umgesetzt werden könnten.

Wie könnten denn aus deiner Sicht Organisationen erkennen, welche Veränderungen wirklich notwendig sind und was bewahrt werden sollte?

Edgar Rodehack

Auch da möchte ich ganz kurz noch, bevor ich dann auf die Frage eingehe, wie das verstanden gehen kann, wobei die Antwort sehr einfach ist, würde ich schon nochmal sagen, klar, ich erlebe das auch oft, dass Menschen überfordert sind, dass die tatsächlich in Stresskrisen kommen aufgrund dieser Veränderungssituationen, die da anstehen, oft verbunden mit so einer wirklichen abstrakten Angst vor

Im Endeffekt kann man es ja auf den Punkt bringen, dass ich Angst vor Existenzverlust habe, den wir da dann spüren, was mich wirklich sehr bedrückt. Erstens, weil ich ungern Menschen leiden sehe, und zweitens, weil ich selber auch schon mal in so einer Situation war und das Licht am Ende des Tunnels nicht gesehen habe.

Aber das sind eigentlich für mich Ausnahmesituationen. Von Überforderung möchte ich da eigentlich gar nicht sprechen, also im Allgemeinen, obwohl wir es natürlich wirklich im speziellen natürlich schon mit einer großen, also wenn man sich anschaut, Burnout, mit einer großen Burnout-Krise eigentlich auch schon zu tun haben, aber organisatorisch betrachtet, glaube ich, haben wir keine Überforderungskrise, sondern wir haben einfach eine Genervtheitskrise. Die Leute wollen halt einfach im Maschinenraum einfach mal auch aufräumen dürfen und sagen müssen, okay, wartet mal, jetzt lass uns doch einfach mal das, wie wir das gerade eben ausgemacht haben, versuchen, um dann auch geordnet auszuwerten, ob das was gebracht hat oder nicht. Also das will ich bloß mal sagen. Da kommen nämlich dann, glaube ich, auch die Widerstände her, auch der Veränderung gegenüber. Dass man sagt, wir haben doch schon gezeigt, dass wir veränderungswillig sind und dann gibt es doch wenigstens die Zeit, auch mal das umzusetzen, was wir da haben. Oder lasst uns zumindest darüber sprechen, wie wir das Wichtigste davon erstmal umsetzen und auswerten können, bevor wir wieder mit dem nächsten daherkommen.

Also das ist für mich schon wichtig und leitet eigentlich schon zur Antwort über. Es ist der Dialog, der einfach wichtig sein muss und auch, was davor kommt, ist das Anerkennen der verschiedenen Rollen. Es ist einfach so, dass aus meiner Sicht, dass es wirklich notwendig ist, wenn Veränderung wirklich gut sein soll, dass die Spieler ihre jeweiligen Rollen möglichst klar definieren und auch anerkennen. Ich habe vorhin davon gesprochen, dass es Menschen gibt, die einfach auch besonders gut drin sind, eben Veränderungen und Veränderungsdringlichkeiten zu erkennen und vielleicht dann sogar auch die richtigen Schritte dann zu erkennen und

Und dann gibt es auf der anderen Seite die Menschen, die du wahrscheinlich und ich auch im Maschinenraum sehen, die dann sagen, ja okay, gut, kann ich dir machen und ich setze es um. Und wir leben in einer Zeit, die, also aus meiner Sicht, die davon ausgeht, dass die Menschen, die die Veränderungen besonders gut erkennen, eben auch besonders wertvoll sind für eine Organisation.

Also, die kriegen auch das meiste Geld in den Organisationen und ich halte das für eine Fehlentwicklung. Das muss wieder in die Balance, also nicht bloß das Geld, das steht auf einem anderen Blatt Papier, aber jetzt, wenn man mal das Organisatorische sieht, die Wertschätzung dafür, dass die Arbeit eben von allen Teilen der Organisation geleistet werden und zwar mit allen ihren Kompetenzen und Fähigkeiten und meinetwegen auch Bedürfnissen und Wünschen, das ist einfach wichtig für diesen Dialog. Weil ein Dialog ist eben wie gesagt keine Einbahnstraße, wo der Chef Befehle erteilt oder der Weise General, wie es unser gemeinsamer bekannter Jan Fischbach auch gerne sagt. Und dann wird das einfach umgesetzt, sondern wir versuchen eben den Organismus in einen echten Dialog einzuführen, der eben dann das auch wirklich wertschätzt, weil oft eben, wie gesagt, dieser Widerstand alleine deswegen zustande kommt, also aus meiner Erfahrung ganz konkret gesprochen, dass die, die es umsetzen sollen, sagen, ja, bloß weil der das denkt, dass das wichtig ist, heißt noch lange nicht, dass es wichtig ist. Und das werde ich ihm jetzt auch beweisen, indem ich erst mal das auf die lange Bank schicke. Und das ist natürlich für Organisationen, die unter Veränderungsdruck stehen, der Supergau, wenn man mal ganz ehrlich ist.

Dierk

dann denkt man die verändern irgendetwas also sich oder Abläufe und sie eigentlich sitzen sie das aus oder im schlimmsten Fall torpedieren das aktiv also ich weiß gar nicht was jetzt schlimmer wäre wenn sie aktiv torpedieren dann merkt man ja wenigstens ansonsten ist man überrascht wenn nichts passiert

Edgar Rodehack

Genau, da hast du recht. Und das ist ja das, was dann auch oft unter Businesstheater dann auch genannt wird, da gibt es die Vorderbühne und die Hinterbühne und all das ist einfach, wenn man wirklich was umsetzen muss, schnell in einem dynamischen Umfeld, also können wir uns einfach nicht leisten, also oft zumindest nicht oder beziehungsweise wenn man sich es leisten kann, ist es dann eigentlich auch nicht schlimm, jetzt für die Organisation sagen wir es mal so, es ist halt einfach bloß sau teuer und man könnte viel mehr rausholen aus der Organisation.

Oft geht es dann aber damit einher, dass die Menschen merken, dass man eigentlich viel besser sein könnte. Und dann fängt das Leid an, weil die Umsätze im Maschinenraum sagen, wir könnten so toll sein, aber wir können nicht. Und die Leute, die auf der Brücke stehen und sagen, wir könnten so viel besser sein.

Das ist einfach ein riesengroßes Leid. Und dann fangen Leute an, in Stress zu kommen auch. Interessanterweise fängt dann auch dieser ganze Negativspirale an, dass man dann auch so aggressiv wird. Und dann ist natürlich tatsächlich Holland in Not vollkommen klar. Richtig.

Dierk

Ja, und du hast es ja vorhin gesagt, Dialog statt Monolog. Also und das, was du gerade gesagt hast, ist ja das, was wir daneben sehen. Die Führungskräfte schimpfen auf die faulen oder inkompetenten Mitarbeitenden und die schimpfen auf die Chefs, die keine Ahnung haben und weiß ich nicht, sonst worum sitzen, aber eben keine Ahnung haben von dem, was wirklich wichtig wäre. Und dafür brauchen wir den den Dialog. Ja, und da fand ich interessant diese systemischen Gesetzmäßigkeiten von Björn Ehrlich aus dem letzten Mal. Da gucke ich gerade mal so drauf. Der hat so Punkte. Vorrang des früheren vor dem späteren. Vorrang der höheren Verantwortung. Man kann mit diesen Gesetzmäßigkeiten an ganz vielen Stellen erkennen und erklären, wie man eigentlich kommunizieren sollte auch. Dass es eben nicht hilft nur in den Dialog zu gehen, sondern auch vernünftige Gründe für die eigene Sicht zu haben.

Edgar Rodehack

Und das finde ich eben besonders wichtig und anzuerkennen, dass der Gesprächspartner oder die Gesprächspartnerin, so muss man ja sagen, ebenso gute Gründe haben für ihre Haltung, für ihre Argumente, für ihre Weltsicht. Und wenn wir das geschafft haben, also das ist dann der Moment in meiner Arbeit, wo ich sage, okay gut, alles klar Leute, viel Spaß noch, ihr braucht mir jetzt auf gar keinen Fall mehr. Also das ist der Moment und das braucht oft gar nicht viel, um diesen Moment herbeizuführen. Ich sage immer, dass mein Job wirklich sehr einfach ist, weil ich höre mir das dann an auf alle Seiten und dann sage ich, sprecht halt mal miteinander.

Und zwar auf diese Art und Weise, die du gerade gesagt hast. Und so einfach ist es eigentlich und so schwer dann aber auch gleichzeitig, weil dieses einfache Sprechen ist natürlich erschwert durch eine gemeinsame Vergangenheit, durch auch die, wie gesagt, formale Weite im Weltsicht, dass wir eine Maschine sind die halt einfach auch diesen Zwang oft rechtfertigt, mit dem wir in solche Gespräche gehen. Und deswegen, es ist einfach und aber doch nicht so einfach zugleich.

Dierk

Ja, ich finde auch, da kann man nochmal unsere gemeinsame, also wir haben eine gemeinsame Sicht auf die Unterschiede zwischen Beratung, Coaching. Und ich habe eben auch an vielen Stellen erlebt, dass ich als Berater wirklich genau das Gleiche gesagt habe wie die Mitarbeitenden. Und ich hab mich quasi sozusagen entschuldigt, dass die Chefs auf mich hören, obwohl ich im Prinzip das Gleiche sage. Und jetzt ist die Frage, also das kann auch ein Geschäftsmodell sein, wäre aber keins, was mich jetzt zufriedenstellt auf Dauer, also immer nur diesen externen Sprachrohrzug zu bringen, also oder zu sein, sondern da wirklich zu sagen, ich helfe euch jetzt wirklich direkt miteinander zu kommunizieren, dass ihr mich für einen, ich sag mal, für einen Workshop braucht, wie auch immer, für den Status, was du gesagt hast, aber dann müsstet ihr in der Lage sein, euch als Gesprächspartner anzuerkennen und direkt miteinander zu sprechen.

Edgar Rodehack

Ja, also das sehe ich auch so. Das ist natürlich die Katalysator Wirkung, die wir als Berater oder Begleiter oder Coach, wie du es nennst, zu leisten haben. Das gehört einfach dazu. Systeme, und dazu gehören ja Organisationen und Unternehmen, sind ohne diesen Impuls oft nicht in der Lage, das zu machen. Also ich würde das gar nicht so runterspielen. Ich würde mich da auch nicht dafür entschuldigen…

Ich würde jetzt natürlich schon mich dafür entschuldigen, weil das oft für die Menschen frustrierend ist. Die sagen, jetzt kommst du daher, kriegst viel Geld dafür, dass du genau dasselbe sagst, dass wir schon seit Jahren sagen. Aber es gehört eben dazu anzuerkennen, dass das notwendig ist, oft aus systemischer Sicht jetzt und auch systemtheoretischer Sicht, dass ohne diesen Impuls von außen das eben nicht möglich ist. Es gibt, und auch das ist ja schon wirklich lange, lange, lange bekannt, der Prophet im eigenen Land, der gilt halt einfach nicht. Da gibt es Gründe dafür, psychologische und auch strukturelle. Und deswegen ist auch der Job, den wir machen, der ist so wichtig auch tatsächlich. Das sage ich jetzt ganz uneitel und auch nicht verkäuferisch sozusagen. Oft geht das einfach nicht anders.

Aber das ist ja das, was agile Organisationen ändern wollen, dass sie sich strukturell sozusagen in die Lage versetzen, diesen externen Impuls sich von innen immer wieder zu geben, dass sie sozusagen mit den verschiedenen Rollen, die es da gibt und mit den Strukturen, die es da gibt, eben versuchen, die Situationen möglichst zu vermeiden, dass von außen mal jemand kommen muss und wieder den Impuls setzt, damit man wieder mit Energie sich auf die richtige Veränderung stürzen kann. Das weißt du doch gar nicht. Wir können uns ja noch streiten, das ist wichtig.

Dierk

Wir sprechen über Bewahren und ich finde, es ist echt ein gutes Gespräch bisher und das wird sich auch nicht ändern. Also ich leide jetzt nicht irgendwas ein, das war schlecht damit. Ich glaube, wir haben also Streiten war ja auch okay. Das soll ja nicht alles Friede vor der Eierkuchen sein. Aber ich sag mal, so eine konstruktive Gesprächskultur sehe ich schon bei uns beiden. Unternehmenskultur ist auch mal so ein interessantes Wort dabei. Und die ist natürlich wichtig, weil ich glaube schon, dass in einem Startup Unternehmen eine andere Kultur herrscht, auch mit Blick auf Veränderung, sage ich jetzt mal so, als in einem traditionellen, vielleicht sogar noch Inhaber geführten 200 Jahre alten deutschen Unternehmen. Gut, okay.

Edgar Rodehack

Ja, vielleicht streiten wir uns tatsächlich mal. Nein, auch hier, ich habe es ja auch mit Start-ups zu tun, genau wie Bewahren und oder Keep und Change irgendwie nicht richtig zu trennen sind, ist das eigentlich genauso mit Startups und etablierten Unternehmen. Wir sind alle in einer gleichen Lage insofern, als dass man halt etwas gestalten muss. Und da gibt es unterschiedliche Notwendigkeiten, aufgrund einfach des Lebensalters von einer Organisation. Und es gibt eben auch andere Strukturen. Ich bin mir wirklich, also aufgrund der Erfahrungen, die ich jetzt gemacht habe mit Start-ups, bin ich mir gar nicht so sicher, ob das wirklich was anderes ist als in etablierten Unternehmungen. Die haben halt andere Strukturen, das ist klar. Aber die Herangehensweise ist oft sehr, sehr ähnlich, muss ich sagen. Und da möchte ich wieder auf die, und deswegen auch Kultur finde ich einen guten Begriff, möchte ich auf die Weltbilder noch zurückkommen wieder mal, die wir verbinden. Ich bin ehrlich gesagt, als ich meine ersten Start-ups begleitet habe, da war ich ehrlich gesagt geschockt, wie traditionell die Vorstellungen von Organisationen sind, die in den Köpfen von diesen meistens sehr junge Leute da vorhanden sind. Mit welcher Macht die eigentlich und mit welchem Zug die da auf Strukturen hingearbeitet haben, die sehr, sehr ähnlich waren wie die von Siemens oder von BMW oder von Audi. Und warum ist das so? Weil es die Strukturen sind. Es sind die einzigen, die wir kennen. Andere Strukturen lernen wir nicht kennen. Wenn wir in die Schule kommen, dann haben wir sehr, sehr hierarchische, sehr stabile Organisationsformen, mit denen wir da irgendwie konfrontiert sind. Wir kommen in die Uni oder wir kommen in den ersten Betrieb, da gibt es auch selten irgendwie andere Organisationsformen. So kommt es, dass wir eben mit diesen Weltbildern und mit diesen Kompetenzen dann im Endeffekt und Erfahrungen dann irgendwie durchs Leben gehen, die eben sehr stabil und hierarchisch sind. Und so gehen wir dann eben auch, das ist unsere Kultur. Und mit dieser Kultur gehen wir dann alles an, was wir haben. Und das schaut ein bisschen anders aus beim Start-up, weil einfach die Strukturen eben noch nicht so etabliert sind. Da gibt es keine Abteilungskürzel Hunderttausende wie bei BMW oder so. Aber im Prinzip ist die Denke oft eine sehr ähnliche, die dahintersteckt, muss ich sagen.

Was ja einfach auch zeigt, ich meine, du arbeitest im Agilen, ich arbeite im Agilen. Wir werden noch lange damit auch gut beschäftigt sein, Menschen einfach zu sagen, was es im Endeffekt wirklich heißt. Es ist nämlich nicht bloß einführen von irgendwelchen Planning Meetings oder Dates oder so, sondern es ist einfach wirklich zu verstehen auch, warum wir diese Dinge machen und mit welcher anderen Haltung wir das machen.

Und da sind wir noch wirklich ganz weit weg von der Kultur her, dass wir das verinnerlicht haben aus meiner Sicht.

Dierk

Interessanter Punkt. Du hast in deiner Aufsiedlung übrigens vergessen Jira. Also wir sind agil. Wir nutzen Jira, wir sind agil. Oder andersrum, Agilismus muss mit Jira arbeiten. Also Spaß beiseite. Du hast von der Kultur gesprochen und von etwas, was ich auch sehr interessant finde. Ich nenne es immer Sozialisation. Schule, ja, also auch das Thema, wenn wir darüber sprechen, zum Beispiel T-Shape oder Wissenstaustausch, also cross-funktional, all solche Themen, das ist ja auch ein Zeichen, das ist ja auch eine Veränderung. Also es sind ja viele Unternehmen, die genau dahin gearbeitet haben oder noch dabei sind, dahin zu arbeiten.

Und ich sage immer, guckt mal auf die Schule, da gab es Biologie, Chemie und Physik, also eine ganz klare Trennung. Und die haben sich auch nicht gegenseitig in die Suppe gespuckt. Da war ganz klar, das ist etwas, was der Chemiker macht und das macht der Physiker. Interessanterweise habe ich da neulich auch wieder, weil wir gerade beim Bewahren sind, einen Artikel gelesen, dass das ja auch ein Vorteil der Naturwissenschaften ist, dass sie eben klar abgegrenzte Felder haben. Bei den Betriebswirten, bei den Wirtschaftswissenschaftlern redet jeder über alles. Also jemand, der vielleicht aus der Finanzwelt kommt, den Betriebswirtschaftlichen, erzählt dem Organisationsmenschen, wie Betriebswirtschaft funktioniert, aber er hat ja nur ein Teilgebiet. Fand ich übrigens sehr interessant. Würde ich sagen, das geht ja jetzt auch. Wir könnten ja auch darüber nachdenken, Spezialisten zu bewahren?

Edgar Rodehack

Absolut, die brauchen wir natürlich. Deswegen ist ja T-Shape auch ein sehr gutes Beispiel für das, was ich gerade eben gesagt habe. Das ist ja bewahren und verändern zugleich. Bewahren würde ich diese Tiefe in der Spezialisierung, die wir einfach weiterhin brauchen werden.

Gleichzeitig ist es aber so, dass diese tief spezialisierten Menschen und Fachgebiete lernen müssen, dass sie ihre Arme ausbreiten müssen, um in die Fachgebiete oder in den Abteilungsbereich der Nachbarabteilung reinreichen zu können, um einen Austausch zu ermöglichen. Systeme fangen dann an zu kranken, wenn der Austausch nicht mehr da ist. Wir brauchen eine gewisse Konservation auf unser System, wir brauchen eine gewisse Hülle, das heißt nicht so unrecht, wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht.

Also zu viel Austausch ist auch nicht gut, aber genau das auszutarieren, wie viel Spezialisierung brauchen wir, wie viel Hülle brauchen wir in unserem System und wie viel Austausch müssen wir zulassen, das ist total wichtig. Und gerade da jetzt in disruptiven dynamischen Zeiten, wo es wild hergeht, da ist es sehr wahrscheinlich, dass das Abschotten von Abteilungsgrenzen eher noch eine Krise verschärft, als dass man sie entschärft. Und das ist eben genau der Punkt. Also wenn wir von Keep sprechen und das ist in meiner Arbeit wirklich wichtig, das den Menschen zu erklären. Es geht eben nicht darum, zum Beispiel jetzt in dem Fall, die Spezialisierung total aufzugeben. Ganz im Gegenteil, wir müssen sie weiterhin, wir brauchen sie, wir brauchen diese Spezialisten. Aber diese Spezialisten können sich eben nicht darauf zurückziehen und sagen, mein Job ist nur dieser Spezialfall hier, sondern sie müssen auch lernen zu sagen, okay, mir fällt auch kein Zacken aus der Krone, wenn ich in der Nachbarabteilung auch mal mit teste und mir anschaue, was die da machen.

Und das ist genau auch in der Schule wichtig. Also wie will man Physik wirklich auch durchsteigen, wenn einem Mathe fehlt? Das geht einfach nicht. Und so ähnlich muss ich, also betrachte ich das auch und deswegen ist auch dieser Punkt Wertschätzung ist einfach wichtig. Was in der Vergangenheit gut war, nämlich dieses zum Beispiel dieses tiefe Spezialistentum. Das war gut und wird auch gut bleiben und wir werden noch besser werden, wenn wir auf dieses Spezialistentum, auf dem was uns bislang gut gemacht hat, wenn wir noch besser werden, indem wir uns verändern und andere Dinge drauf schaffen und lernen, die uns eben weitertragen werden, in dem was wir zu tun haben.

Dierk

Sehr schön. Klingt gut. Klingt richtig gut. Jörn hat beim letzten Mal so eine schöne Sache angesprochen. Das, denke ich, wird auch ein Zitat, was ich so dann eben in das Transkript bringe und in die Veröffentlichung, nämlich man merkt eigentlich erst wenn es zu spät ist, ich verkürze es jetzt mal ein bisschen oder übertreibe es mal ein bisschen, dass man diese systemischen Gesetze nicht beachtet hat. Also wenn man sie nicht beachtet hat, dann merkt man es sehr, sehr spät oder zu spät sozusagen dann manchmal auch. Hast du Ideen, wie wir das hinbekommen, wo man typischerweise erkennen kann, ob in einem Veränderungsprozess zu wenig bewahrt wird?

Edgar Rodehack

Ich bin da auch ein bisschen anderer Meinung, muss ich gestehen. Ich finde es ja schon mal gut, wenn Leute das überhaupt feststellen, dass sie etwas hätten tun müssen.

Das nehme ich als quasi die Baseline und ich sage, das ist super und besser wird es nicht. Und also klar, das schließt natürlich mit ein, dass man sich ärgert, dass man etwas hätte früher tun können. Aber das Gute an der Vergangenheit ist, dass man sie nicht ändern kann. Was man verändern kann, ist, dass man jetzt ausgehend von der Erkenntnis, dass man etwas hätte tun können, dafür sorgt, dass man es erstmal korrigiert auf eine gute Art und Weise und dass man dann für den nächsten Punkt gerüstet ist. Das heißt, ganz konkret in meiner Arbeit bedeutet das, dass so ein bisschen Trauerarbeit, nenne ich das immer, schon notwendig ist. Ich versuche diese Trauerarbeit aber tatsächlich schon anzusprechen, auch weil es uns oft behindert in genau dem, was ich gerade gesagt habe, nämlich zu erkennen, hey, klar, es war irgendwie jetzt nicht so gut, was da gelaufen ist, aber immerhin stehen wir jetzt hier mit dem Wunsch, das zu korrigieren und besser zu machen. Und das hebe ich hervor, um dann zu sagen, okay, und was fällt uns jetzt ein, um den nächsten Schritt zu gehen.

Und das ist mir schon wichtig. Und da ist dann auch die Frage wichtig, okay, es war vielleicht nicht alles gut, was gelaufen ist, aber bitte lass uns nicht in das Narrativ verfallen, dass alles schlecht war, weil das stimmt nämlich nicht. Das ist alleine schon dadurch bewiesen, habe ich ja vorhin schon gesagt, dass wir hier noch stehen und uns zumindest so begegnen, dass wir sagen, okay, wir kommen jetzt hier wieder raus aus dem ganzen Schlamassel.

Dierk

Stimmt. Früher war alles besser, auch die Zukunft.

Edgar Rodehack

Ja, genau.

Dierk

Wir haben ein paar Mal schon vorhin zu Beginn von Management gesprochen oder von Führungskräften. Und du hast ja auch gesagt, es geht darum, wir brauchen Veränderung, aber dazu gehört immer auch dazu, etwas zu bewahren. Wie können Führungskräfte das für sich sichtbar machen oder wie können die für sich eine Balance herstellen zwischen einer notwendigen Veränderung und einer wertvollen Bewahren und dem Bewahren des Wertvollens?

Edgar Rodehack

Ich finde, so direkt angesprochen oder gefragt, würde ich sagen, Führungskräfte fände ich schön, wenn sie lernen würden, dass zu ihrem Job eben auch gehört, das auszuhalten, dass die Organisation nicht alles gleich sofort versteht, was sie wollen. Das ist mal das eine. Und das zu Ihrem Job auch gehört, das zu moderieren oder zumindest die Moderation zulassen von diesem Prozess. Und dass Sie auch merken, dass Sie in diesem Prozess auch sehr starke Eigeninteressen haben, die nicht unbedingt immer mit den Interessen der restlichen Organisation einhergehen.

Dierk

Wäre es dann nicht sinnvoll, weil du gerade sagtest, dass sie das moderieren? Also natürlich meinst du mit moderieren den Prozess, aber wenn ich konkret in Gespräche gehe, dann wäre es wahrscheinlich sinnvoll, genau zu sagen, ich nehme einen externen Moderator. Also es muss nicht unternehmensextern sein, aber extern für dieses Thema, was ich da bespreche, weil er nämlich Eigeninteressen hat.

Edgar Rodehack

Also das fände ich schon rein aus praktischen Gründen fände ich das gut, weil wenn wir Eigeninteressen haben, zum Beispiel wenn ich davon überzeugt bin, dass dieses oder jenes Tool eingeführt werden muss, dass diese oder jene Verfahrenstechnik, das non plus ultra ist, die wir jetzt unbedingt brauchen, dann ist das natürlich erstmal, im ersten Moment muss das ein Zielkonflikt sein, weil die Menschen, denen ich das gerade vorstelle, ja überfahren sind und erstmal gar nicht im ersten Moment nachvollziehen können. Also ist die Wahrscheinlichkeit zumindest sehr groß, dass irgendwie ziemlich schnell der Wurm drin ist, weil die Leute sagen, Moment mal, heißt das, dass die Verfahrenstechnik bislang nicht gut war oder was? Also zumindest ist das rein praktisch sehr oft vorgekommen, sag ich jetzt mal, im Leben. Und das ist nachvollziehbar. Und das anzuerkennen, dass sowas passiert, ist gut. Und dann aber auch zu erkennen, dass man dann eben eigentlich Konfliktpartner ist. Zumindest im Kleinen, sag ich jetzt mal. Und als Konfliktpartner ist natürlich sehr schwer, so einen Prozess dann zu moderieren, weil man im Prinzip eigentlich eine gespaltene Persönlichkeit sein muss. Dass man gleichzeitig eben seine Interessen vertritt und aber auch dafür sorgt, dass die Interessen der Konfliktpartei dann eben auch zur Sprache kommen. Also das ist wirklich den allerwenigsten Menschen gegeben. Deswegen ist es sehr, sehr professionell und schlau, wenn man jemanden benennt oder jemanden dazuholt, der sagt, du kannst mal dazukommen und uns in dieser Sitzung oder in dieser Situation moderieren und helfen, dass das alles gehört und werden und auch zur Sprache kommen. Das fände ich total wichtig. Und auch ehrlich gesagt, das war noch ein Punkt, den ich vorhin noch sagen wollte, ich finde, es auch wirklich professionell anzuerkennen, dass die Rolle so ist, wie sie ist, seine eigene. Und dass man vielleicht auch so manchmal auch vielleicht übers Ziel hinausschießt und dass die Dinge eben so sind, wie sie sind und das Ganze am besten halt auch so mit so ein bisschen Augenzwinkern. Dann sag ich, okay, ich verstehe, jetzt bin ich wieder zu sehr am pushen und jetzt habe ich wieder ein bisschen zu, bin ich wieder in die selbe Falle getappt, die haben es einfach nicht verstehen können. Also gut, alles klar, dann drehen wir halt nochmal eine Runde. Das, finde ich, gehört wirklich dazu zum professionellen Tun auch. Also davon auszugehen, dass wenn einmal etwas gesagt ist und das alle sofort verstanden haben, was ich meine zu einer Sache, wo ich vielleicht wochenlang gebraucht habe, um sie zu verstehen, ist einfach vollkommen, sorry, unprofessionell.

Es ist dumm, wenn man es so will. Und es ist dann noch dümmer, wenn man sich dann feindlich gegenübersteht und sagt, ihr seid so doof, ihr versteht das nicht. Und ich bin so toll, weil ich das alles schon verstanden habe. Das ist wirklich super unprofessionell. Und das sage ich meinen Klienten auch. Das ist einfach nicht gut. Und sich solche Dinge bewusst machen und das Ganze eben auch am besten eben auch mit so ein bisschen Augenzwinkern und das einfach zu erkennen und sich dann eben auch gegenseitig zu verzeihen, wenn man da mal über das Ziel hinausgeschossen ist. Das finde ich schon wichtig ehrlich gesagt. Ja.

Dierk

Meine Wahrnehmung dabei ist, dass diese Art von Führungskräften mehr werden. Also ich erlebe es immer häufiger, dass sie so führen oder dass so mit den Teams umgegangen wird. Und das ist egal, ob das klassisch oder agil ist. Also dass man wirklich professionellere Führungskräfte hat, die dann auch authentisch sind, denn das, was du gerade gesagt hast, dieses zugeben mit dem Augenzwinkern, das ist ja genau authentisch, anstatt zu sagen, na ja, okay, jetzt müssen wir nochmal eine Runde drehen. Ich habe ja verstanden, alle merken, ihr seid zu doof, das ist ja dann auch wiederum nicht hilfreich. Also authentisch zu sein und das wirklich auch vom Inneren heraus zu leben.

 

Edgar Rodehack

Das sehe ich genauso und das ist auch das Positive an der Entwicklung der letzten Jahre, dass wir diese Führungskräfte eben haben. Es gibt allerdings auch einen gewissen, also weiß nicht, wie es dir geht mit deinen Klienten, aber da gibt es natürlich schon so einen gewissen Kulturbruch, sag ich jetzt mal. Führungskräfte können das natürlich nur dann machen, wenn sie auch den Auftrag entsprechend haben oder wenn sie gelassen werden. Und das ist nicht immer der Fall. Aber auch das gehört zum selben Spiel. Also auch das anzuerkennen, dass es eben Menschen gibt, die sagen, also sorry, ich kann jetzt nicht

Ich habe die Zeit nicht zu warten, bis jeder verstanden hat, was ich hier möchte. Und ich muss das auch nicht, weil ich hier nämlich wirklich Ansagen machen darf. Das muss man schon mit anerkennen. Und gleichzeitig auch, da hatten wir im Vorgespräch auch darüber gesprochen, kann das tatsächlich auch wirklich auch stellenweise notwendig sein, dass man sagt, okay, pass mal auf, würde er gerne haben, dass er das jetzt versteht, aber die Zeit haben wir jetzt leider nicht. Bitte macht es jetzt einfach und vertraut mir, dass es die richtige Sache ist.

Dierk

Richtig. Und man vertraut dann auch, das ist meine Erfahrung, wenn man diese Führungskraft eben als vertrauenswürdig einschätzt. Wenn das eine Ansage ist, also ich sage jetzt nicht, ihr müsst das so machen, dann vertraut mir, dass es auch wiederum keine Ehrlichkeit mitschwingt, glaube ich, ist das auch ein Punkt, den ich auch wahrnehme.

Edgar Rodehack

Absolut. Und dann wird natürlich aber auch in so einer Situation auch spürbar und deutlich, sind die Menschen tatsächlich in der Lage zu vertrauen oder nicht. Und je nachdem, was für eine Kultur gab, welche Erfahrungen man hatte, desto leichter oder schwerer fällt es natürlich dann auch, dieses Vertrauen oder dieses Tun dann auch tatsächlich zu realisieren sozusagen. Dass die Menschen tatsächlich das dann auch tun, was da so vertrauensvoll eingefordert wird sozusagen.

Dierk

Ja, ja, richtig. Ja, und du hast vollkommen recht. Das muss natürlich auch von der Organisation gewünscht und unterstützt werden. Dieses dieses Vorgehen. Und ja, also ich habe ich habe Unternehmen erlebt, auch große, wo man eben auch sammelt. Der Mensch, das glaube ich nicht, auch über Jahre hinweg, wo sich Führungskultur verändert hat. Und ich habe das so gemerkt, dass mir das von den Mitarbeitenden im Maschinenraum erzählt wurde. Also ich habe das nicht selber angetrieben, habe nur gesagt oder festgestellt, weil ich bei diesem Unternehmen über Trainings, das waren glaube ich fünf oder sechs, fast sieben Jahre dabei war, sechs Jahre, aber egal, wo ich eben von den Mitarbeitenden immer häufiger gehört habe, ja, ich sehe eine Veränderung. Also Führungskräfte, die wir heutzutage haben, sind sehr viel professioneller im Umgang mit uns Menschen. Und die Führungskräfte, die nicht professionell sind, sind keine Führungskräfte mehr.

Edgar Rodehack

So ist es. Aber selbst im Bereich, also mir geht es ähnlich, selbst in Bereichen, wo es wirklich überhaupt nicht erwarten würde, zum Beispiel im Handwerk, bei einem Handwerkskunden, ich schlackere wirklich mit den Ohren und ich komme aus dem Staunen nicht mehr raus, welche modernen Strukturen oder welche zeitgemäßen Ansätze in diesen Bereichen inzwischen schon gefahren werden. Das heißt natürlich lange nicht, dass wir überall schon so weit sind, wie es vielleicht auch sein müsste. Also gerade wenn man sich anschaut, was jetzt dann auch in nächster Zeit ansteht und auf die deutsche Wirtschaft zukommt. Aber ich glaube, in großen Teilen ist dieser Groschen tatsächlich schon gefallen. Das wissen wir, heißt natürlich lange nicht auch da, dass wir es schon auch tatsächlich gleich umsetzen können, weil wir eben aus einer Kultur kommen, wo wir solche Kompetenzen, die wir jetzt bräuchten und damit meine ich tatsächlich auch eben auch Denkmuster und Handlungsmuster, vor allen Dingen auch, dass wir die auch noch nicht eingespielt haben. Aber die Erkenntnis ist da und es gibt auch schon sehr, sehr gute Beispiele und also ich bin da sehr hoffnungsfroh ehrlich gesagt, dass sich das dann ändert. Wünschen würde ich mir natürlich, dass jetzt auch noch der Staat nachzieht, aber naja, wir werden sehen, wie sich das entwickelt.

Dierk

Wie kann man Mitarbeitende dabei unterstützen? Wir haben ja eben über die Führungskräfte gesprochen. Wir haben aber auch beide die Präferenz oder den Blick auf den Maschinenraum. Also wie können wir Mitarbeitende dabei unterstützen, selbst zu erkennen, was bewahrenswert ist und was verändert werden sollte?

Edgar Rodehack

Wie kann man das machen? Also, ich meine, du sprichst ja hier, wie du bist ja selber auch ein AG-List, es geht um Strukturen, die man schaffen sollte oder am besten schafft. Und das gibt nämlich dann auch die Sicherheit, die uns dann auch vielleicht so vor so mancher Überforderungskrise dann einfach auch bewahren könnte. Und deswegen bin ich ja auch so ein überzeugter Agilist. Es geht eben um die Routine, die wir uns entwickeln oder die wir uns schaffen. Und dazu gehören eben vor allen anderen Routinen die Retrospektive zum Beispiel, dass wir uns eben gemeinsam immer wieder zusammenfinden, regelmäßig und sicher sozusagen, und uns überprüfen, ist das, was wir hier tun, noch das Richtige. Und zwar nicht auf hinsichtlich der Arbeitsergebnisse erstmal, sondern der Qualität der Zusammenarbeit.

Und wenn wir das ehrlich machen und auch angeleitet, also das von alleine zu schaffen, ist relativ schwer. Da braucht es dann schon einen Scrum Master oder jemand zumindest, der sich mit diesen Themen so ein bisschen auseinandersetzt und dann auch das Mandat hat, diese Reflexionen auch anzuleiten, vielleicht auch ein bisschen zu irritieren oder vielleicht ein bisschen konfrontativ das zu machen, einfach mal die Frage aufzuwerfen oder einfach auch mal sagen zu dürfen. Also Leute, ihr meint zwar, das ist gut, aber ich zeige euch jetzt mal, was es auch noch für andere Möglichkeiten gibt. Das finde ich schon, wäre schon wichtig. Aber wichtig, also in allererster Linie wäre schon wichtig, dass überhaupt stattfindet so ein Kreis.

Und das eben dann auch nach und nach zu erkennen, dass das einfach auch dazu gehört zum professionellen Tun, dass es eben nicht nur darum geht, die Arbeit abzuarbeiten, sondern sich eben auch Zeit zu nehmen, auf solche Dinge zu schauen, dass es wirklich, dass dazukommen Menschen unterstützen. Und erfahrungsgemäß ist das im ersten Schritt gar nicht so schwer. Menschen sagen, ja gut, lass uns das ausprobieren. Dann machen sie es für eine Weile. Dann kommt die Frage auf, braucht sie es überhaupt? Dann hören sie es wieder auf. Dann kommt jemand wie du oder ich mal wieder vorbei und dann, was habt ihr denn gemacht mit euren Routinen? Ja, es eingeschlafen hat und sie so viel gebracht.

Dierk

Ja. Ja. Und das interessante dabei ist, weil du es auch gerade anschließt mit der Retrospektive. Erstens, es wird im Maschinenraum gemacht.

Edgar Rodehack

Warum hat es euch nichts gebracht, dann bitte gestaltet es so, dass es euch was bringt. Das ist wichtig und so könnte man Menschen unterstützen, das wirklich auch zu schauen. Immer wieder die Frage stellen, was ist wichtig? Müssen wir was anpassen oder müssen wir was verändern?

Dierk

Das war ja einer unserer wichtigen Punkte. Es wird nicht von oben irgendwas aufgesetzt, sondern es wird im Maschinenraum gemacht. Und häufig, wenn ich das, was du auch gerade sagtest, wenn ich dann frage, was ist denn mit der Retro? Ja, brauchen wir nicht mehr. Sag ich, ach, seid ihr schon so gut, dass ihr es nicht mehr braucht? Nee, natürlich nicht. Also dann sind wir ja gleich in der Diskussion drin. Was aber häufig kommt als Hinweis ist, dass Veränderungsvorschläge kamen. Stichwort Veränderung, nicht Bewahren, sondern Veränderungsvorschläge, also was ja auch wiederum das ist, was wir wollen, die aber nicht umgesetzt wurden. Und das ist auch klar, wenn ich in einer Retro das gleiche anspreche, drei, vier, fünf Mal, sich nichts ändert, dann sag ich auch, dann brauch ich sie nicht.

Edgar Rodehack

Ja, aber da würde ich dann tatsächlich auch sagen, in diesem Fall würde ich sagen, dann ist die Veränderung, die Diskussion oder zumindest die Maßnahmen, die ergriffen wurden, auf den falschen Gleis gesetzt worden. Das kommt typischerweise vor in so koabhängigen Organisationen aus meiner Sicht, wo man sagt, ich habe mir den Vorschlag gemacht und jetzt muss umgesetzt werden. Aber da geht es in der Retrospektive nicht darum, sondern es geht darum, die Frage zu stellen, was können wir, was kann ich tun, um das, was ich da jetzt einfordere oder erreichen möchte, dann vielleicht nicht gleich irgendwie zu haben, aber uns in diese Richtung zu entwickeln. Also so frei nach dem nach den Toyota-Cutters sozusagen, dass man ein Zielbild aufmalt, da soll es hingehen und das ist der erste Schritt auf dem Weg dorthin sozusagen. Das ist zumindest oft der Punkt. Das ist eine, was ich sagen wollte. Das zweite ist, klar, es findet im Maschinenraum statt, aber es gibt auch einen Maschinenraum des Managements. Also, da möchte ich schon darauf hinweisen, dass einfach nicht, dass jetzt hier irgendwie Führungskräfte meinen, ja gut, ich bin fein raus, es gibt im Maschinenraum Retrospektive. Ne, ne, also das wird überall gemacht und am besten gibt es dann auch irgendwo mal eine Schnittstelle oder einen Berührungspunkt, wo die Ergebnisse des Maschinenraums mit den Ergebnissen des Managements dann auch überprüft werden? Und wenn es gerade auch in der Frage, sind wir gut genug organisiert, stattfindet, wäre ich schon sehr, sehr zufrieden, ehrlich gesagt. Also auch wenn die Ergebnisse vielleicht irgendwie klein wirken wollen, alleine wenn so was stattfindet, ist für mich schon ein riesengroßer Schritt, ehrlich gesagt.

Dierk

Das erinnert mich dann an ein traditionsreiches deutsches Unternehmen, die auch agil werden wollten mittlerweile habe ich glaube ich gehört haben sie das wieder ein bisschen zurückgedreht oder ein bisschen stärker zurückgedreht wo die drei Vorstände es nicht geschafft haben ich sag mal kleinere aufgaben wo sie irgendwas freigeben mussten innerhalb von drei vier Wochen zu erledigen also agil heißt ja genau daran zu arbeiten und ich kann nicht von meinem Unternehmen verlangen agil zu werden wenn ich es mit drei Menschen noch nicht immer hin bekomme, die eigentlich auch nur einen Haken setzen mussten. Also das hat auch nicht was mit Riesenaufwand zu tun. Also strange manchmal. Ja, stimmt, richtig.

Edgar Rodehack

Ja, genau. Wobei, ich meine, man sieht ja, man kann es schon verlangen, aber was bringt es, die Frage? Ich meine, wenn es verlangt wird und die Führung aber selber nichts oder wenig dazu tut, dann ist es ein untrügliches Zeichen für den Rest der Organisation. Na ja, gut, das ist halt wie jedes andere Ding auch. Und sie meinen es ja dann auch oft nicht ernst, also muss man dazu sagen. Und weil es eben aber aus diesem, und da sind wir wieder bei der Kultur, zumindest ist es mein Schluss, weil es aus einem, aus der Command- und Control-Welt eben kommt. Dass man sagt, okay, ich muss das auch nicht, es reicht, wenn ich erkannt habe, dass die Organisation agil werden muss. Und es reicht, wenn ich den agilen Befehl erteile und dann wird das umgesetzt. Und das ist oft der erste falsche Schritt sozusagen, oder was heißt falsch, es ist gar kein falscher Schritt, sondern es ist halt ein naheliegender Schritt, wozu dann eben auch gehört, dass man damit auf die Schnauze fällt und sagt, ja gut, das hat jetzt wohl nicht geklappt mit der Agilität, aber an der Erkenntnis ist es, also die Erkenntnis selber ist ja nicht falsch dadurch, sondern es gibt ja eine Notwendigkeit, dass man vielleicht nicht agiler wird, aber dass man flexibler wird, dass man schneller wird, dass man Entscheidungen schneller trifft und auch zielgerichtet trifft. Diese Erkenntnis ist ja richtig und wichtig. Und bloß weil das mit unserem agilen Change nicht funktioniert hat, heißt es ja noch lange nicht, dass wir nicht trotzdem eine Veränderungsdringlichkeit haben. Und da würde ich auf alle Fälle dazu raten, ja, lach doch da drüber und sag, ja, okay, ist der Vorstand wieder auf die Schnauze gefallen, so sind wir halt. Aber bitte lass uns jetzt hier nicht stoppen und so weitermachen, weil das ist die größte existenzielle Gefahr.

Dierk

Ja, das stimmt. Und wieder irgendwas anderes Neues zu probieren, aber ohne die Ursachen rauszufinden, warum es vielleicht da nicht so gut geklappt hat.

Edgar, das waren fast 60 Minuten bis jetzt hier und ich habe das Gefühl, dass wir ganz viel besprochen haben. Gibt es aus deiner Sicht noch irgendetwas, was du zum Abschluss sagen wollen würdest? Also irgendeine Zusammenfassung, irgendein besonderer Tipp oder irgendetwas, wo du sagst, das wäre dein Schlusswort?

Edgar Rodehack

Der Mensch will so viel. Jeff Patton hat das mal gesagt, das ist einer meiner größten agilen Vordenker. Also Jeff Patton, der User Story Mapping sozusagen maßgeblich befördert hat, hab ich mal auf einem Vortrag gehört und dann hat er gesagt, er findet das so toll. Menschen haben so viele Ideen und das Problem, sagt er, ist nur, dass sie meinen, sie sind gut. Also alle davon sind gut und die wenigsten davon sind einfach gut. Und so geht das mit dem Veränderungswillen auch. Wir denken ganz oft, wir haben eine große Dringlichkeit was zu verändern und die gibt es meistens schon, aber meistens nicht in der Extremität, wo wir es gerade verspüren.

Und aber das aufzugreifen, zu sagen, ja, geil, wir haben Ideen und gut, wir haben Ideen und geil, wir wollen was und zwar gemeinsam. Und dann aber auch darüber lachen können, wenn man sagt, Mensch, das haben wir gedacht, war wichtig und ist aber gar nicht so wichtig. Das würde ich mir wirklich wünschen. Und dann kann man vielleicht auch entspannter in diesen Dialog eintreten und in dieses Tun, nämlich herauszufinden, was bewahren wir denn jetzt, was bleibt jetzt und was verändern wir. Ich glaube, das wäre für uns wirklich alle sehr viel hilfreicher, wenn wir da ein bisschen mehr dieses Spiel wieder reinlassen würden und diese Leichtigkeit und eben auch dieses Wertschätzende, dass auch wenn wir unterschiedlich drauf sind, auch wenn es eben die Leute gibt, die im Maschinenraum gerne sich in die Decise verlieren und in ihre Routinen sozusagen, Und die anderen, die sagen, hey, nein, nein, wir müssen das und das machen, hey, geht doch einfach wertschätzend damit um und erkennt euch an in eurem So-Sein, dann, glaube ich, wäre alles viel, viel leichter für uns, ehrlich gesagt. Also, mit anderen Worten, werfen wir doch mal so ein bisschen den Zwang über Bord. Da müssen wir uns doch keine Sorgen machen, dass der Zwang uns nicht mehr zur Verfügung steht, wenn es nicht sein müsste. Also, den kann man wieder raus, wenn es sein muss. Das andere wäre halt irgendwie mal ganz gut für dich.

Dierk

Sehr schön. Das war ein tolles Schlusswort. Und insofern würde ich sagen, vielen Dank für deine Zeit heute hier, für deine Gedanken, für deine Erfahrung. Und das war jetzt die 38. Episode. Ich freue mich auf deine Fragen, auf dein Feedback. Du kannst mir Kommentare unter die Episode schreiben. Den Link auf dem Blog mit Podcast Episoden findest du in den Show Notes. Und vielleicht hast du ja auch Fragen, die ich klären kann. Vielleicht hast du Ideen, die man besprechen sollte aus dieser Folge oder aus einer anderen Episode, aus einer früheren, dass ich neue Episoden produzieren kann mit tollen Gesprächspartnern wie heute, ganz wie der Untertitel verspricht. Kleine Nadelstiche für ein lebendiges und erfolgreiches Business. Tschüss, Edgar.

Edgar Rodehack

Tschüss!

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